Strahlende Zähne

■ Plutonium aus Sellafield findet sich in Kindermündern in ganz Großbritannien

Berlin (taz) – Der Atommüll aus Sellafield strahlt bereits in den Mündern britischer Kinder: Britische Forscher fanden im Auftrag des Gesundheitsministeriums Plutonium-239 und Plutonium-240 in 3.300 gezogenen Zähnen von Kindern und Jugendlichen aus ganz Großbritannien. Je näher die Zähne an der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Sellafield heranreiften, desto höher die Belastung. In einem Umkreis von weniger als 75 Kilometern um die Anlage waren es 7 Millibecquerel pro Kilo Zahn (mBq/kg), im Abstand bis 225 Kilometern fanden die Mediziner noch um die 5 und im Abstand von mehr als 225 Kilometern strahlten immerhin noch 3 mBq/kg. Die Belastung, so die Wissenschaftler, erstreckt sich über ganz Großbritannien.

Die zusätzliche radioaktive Belastung entspricht dem Untersuchungsleiter Nick Priest zufolge etwa einem Tausendstel der Gesamtbelastung durch „natürliche Strahlung“ – und sei dagegen vernachlässigbar. Wenn sich aber Plutonium im Körper anreichert und dort zerfällt, ist es deutlich gesundheitsschädlicher, als wenn Strahlung von außen den Körper trifft. Bereits in früheren Untersuchungen stellten Mediziner höhere Blutkrebsraten bei Kindern aus der Nähe von Sellafield fest.

Plutonium kommt nicht natürlich vor. Die einzige britische Quelle ist Sellafield. Die Irische See vor der WAA Sellafield verkam durch die Einleitungen der Plutoniumschleuder zu einem der radioaktiv verseuchtesten Gewässer überhaupt. Selbst an der kanadischen Küste wurde schon Plutonium made in Sellafield gefunden – dreimal mehr Radioaktivität, als aus Tschernobyl dort ankam. Und auch in die Luft entweicht Plutonium aus der WAA.

„Eine so flächendeckende Plutoniumkontamination von Menschen“, sagt Greenpeace-Experte Gero Lücking, „ist noch nirgendwo festgestellt worden.“ Das sei ein Grund mehr, kein deutsches Plutonium mehr nach Sellafield zu schicken. Zur Zeit geht ein Zehntel der aufzuarbeitenden Brennstäbe dorthin. Matthias Urbach