Zwischen Münchner Volkszorn und Frankfurter Erfolgen

■ Junkies, Substituierte und Fixerstuben: Hamburgs Drogenpolitik im bundesdeutschen Intercity-Vergleich

Hamburg und Frankfurt gelten als Vorreiter der bundesdeutschen Drogenpolitik. Beide Großstädte haben trotz wackeliger Rechtslage Fixerräume eingerichtet, beide wollen die kontrollierte Abgabe von Heroin einführen. Die Anträge schmoren im Bundesrat.

Hamburg: 8000 bis 10.000 Junkies und rund 3000 Substituierte leben derzeit in der Hansestadt. Weil die Staatsanwaltschaft, anders als in Frankfurt, nicht mitzieht, heißen die Fixerstuben hier „Gesundheitsräume“. Offiziell wird im Fixstern im Schanzenviertel, im Abrigado in Harburg und im drug-mobil in Billstedt nicht gedrückt. Einen Konsumraum in Hauptbahnhofnähe wird es endlich Anfang November im Automuseum geben. Weitere Druckräume sollen nach Prüfung der Rechtslage – derzeit erstellt die Justizbehörde ein Gutachten – in bestehenden Einrichtungen untergebracht werden.

45 Millionen Mark gibt die Hansestadt in diesem Jahr für Einrichtungen im Bereich illegaler Drogen aus. Zu den Hilfsangeboten zählen auch Übernachtungseinrichtungen mit rund 60 Plätzen.

Die Polizei geht gegen die offene Drogenszene vor allem mit Platzverweisen (Aufenthaltsverbote für mehrere Stunden) vor: 141.580 waren es in den vergangenen zwei Jahren. 60 Gebietsverbote (langfristige Platzverweise) wurden verhängt. Wer sich beim Handeln erwischen läßt, wird kurzzeitig eingesperrt und bekommt sein Geld abgenommen. Weder müssen Kokain-Dealer, die den Stoff verschluckt haben, Brechmittel schlucken, noch müssen sie solange in Haft, bis die Drogen ausgeschieden sind.

Frankfurt: Die Zahl der Drogentoten ist in Frankfurt von 147 (1991) auf 31 (1996) gesunken. In Hamburg waren es im vergangenen Jahr 159 Tote. Die Zahl halbierte sich in Frankfurt mit der Auflösung der offenen Drogenszene in der Taunusanlage 1992 (unter rotgrüner Stadtregierung). Gleichzeitig wurden die Hilfsangebote ausgeweitet. Vier Konsumräume wurden eingerichtet. 200 Schlafplätze bieten Junkies Obdach. CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth plädiert – anders als Hamburgs CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust – für kontrollierte Heroinabgabe.

Auch die Frankfurter Polizei arbeitet mit Platzverweisen und Gebietsverboten. Dealer werden inhaftiert, bis sie die geschluckten Drogen ausscheiden. Zwar existieren kleinere Dealtreffs, aber „kein deutlich erkennbarer öffentlicher Markt“mehr, sagt der leitende Polizeibeamte Peter Frerichs.

Berlin: Die Hauptstadt geht von 8000 Konsumenten harter Drogen aus. In diesem Jahr finanziert Berlin die Drogenhilfe nur noch mit 17 Millionen Mark (Hamburg: 45 Millionen Mark). Mit der großen Koalition sind Fixerräume und kontrollierte Heroinabgabe in weite Ferne gerückt.

Eine mit Hamburg vergleichbare offene Drogenszene gibt es in Berlin nicht. Die Polizei treibt Junkies und Dealer von A nach B. Festgenommene Dealer werden nur in Ausnahmefällen bis zur Ausscheidung ihrer verschluckten Drogen festgehalten. Brechmittel dürfen nicht mehr verabreicht werden.

München: Die rotgrüne Stadtregierung in München faßte den Beschluß, einen Fixerraum einzurichten. Dem will aber die aufgebrachte CSU mit einem Bürgerentscheid beikommen. 3000 bis 4000 Junkies halten sich in München auf. Eine offene Drogenszene gibt es nicht, lediglich kleinere Dealertreffs.

Bremen: Im Bremer Ostertorviertel (40 Prozent Grün-Wähler) spielte sich vor fünf Jahren das gleiche ab wie nun im Schanzenviertel: Die Stimmung kippte. Noch unter der Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP) löste die Polizei die offene Drogenszene weitestgehend auf, bei gleichzeitiger Erweiterung und Dezentralisierung des Hilfsangebots. Inzwischen „gibt es keine große offene Drogenszene mehr“, so der Bremer Drogenbeauftragte Ingo Michels.

Für die rund 3000 Junkies und knapp 1000 Methadon-Substituierten gibt Bremen in diesem Jahr 15 Millionen Mark aus. 51 Drogentote wurden 1996 registriert. Fixerräume und kontrollierte Heroinabgabe sind mit der großen Koalition in weite Ferne gerückt.

Die Polizei geht massiv gegen Dealer vor. Brechmittel werden nach wie vor eingesetzt. Aufenthalts- und Durchquerungsverbote wurden allerdings jüngst von einem Bremer Gericht für verfassungswidrig erklärt.

Silke Mertins