Tod an der sicheren Kreuzung

■ Vor drei Jahren wurde an der Kreuzung Katzbach- und Kreuzbergstraße ein Kind totgefahren. Die lebensgefährliche Kreuzung galt als sicher, weil sie eine Ampel hat

Mai 1994: Tödlicher Unfall an der Kreuzung Katzbach- und Kreuzbergstraße. Der sechsjährige Jan hatte bei grüner Ampel die Straße mit seinem Fahrrad überqueren wollen. Doch der Fahrer eines rechtsabbiegenden Lastkraftwagens hatte den Jungen nicht gesehen. Jan starb noch am Unfallort.

Juli 1997: Verkehrstechnisch hat sich an der Kreuzung nichts geändert. Jans Tod ist immer noch gegenwärtig. Nicht nur die schwarzumrandete Gedenktafel mit dem Foto erinnert an die Unfallstelle. Vor allem donnert der Verkehr nach wie vor durch die Katzbach- und die Kreuzbergstraße und hämmert den Anwohnern das Schicksal des Sechsjährigen ein. Schwerlaster brettern nach wie vor von der Katzbachstraße in Richtung Yorckstraße hinunter. Durch die Katzbachstraße führt der ganze Südverkehr Richtung Marienfelde, vor allem Lkw und Betonmischer.

Georg Schneider weiß, wovon er redet. Er wohnt gleich hier und ist auch selbst Berufskraftfahrer. „Die Leute rasen hier durch“, aber da die Katzbachstraße eine Hauptverkehrsstraße ist, könne man wohl auch „keine Verkehrsberuhigung“ einführen. Beinahe täglich gebe es einen Unfall, sagt Galina Zeydman. Während sie tagsüber den „Rallye Spielsalon“, der genau an der Kreuzung liegt, bewacht, kann es nachts schon mal ungebetene Besucher geben. Erst am 19. Juli sei ein Auto geradewegs in ihr Geschäft gefahren. Auch Hazme Akbemir vom gegenüberliegenden Zeitungskiosk weiß, wie gefährlich es hier an der Straße ist. Vor zwei Tagen sei eine Kindergartengruppe bei Grün über die Straße gegangen, als plötzlich ein Auto abgebogen sei, erzählt sie. Die Betreuerin hätte gerade noch schreien können, um die Kinder vor dem Schlimmsten zu bewahren.

Die zehnjährige Jessica, die an der Kreuzung wohnt, hat gehört und gesehen, wie Jan damals verunglückte. Sie hat manchmal Angst, „weil das mit Jan passiert ist“ und die „Autos oft zu schnell und bei Fußgängergrün“ fahren. Im Sachkundeunterricht hat sie das Verhalten im Verkehr gelernt: „Absteigen vom Fahrrad und nur bei Grün über die Straße gehen. Aber manchmal gehen die Kinder bei Rot, oder die Autos fahren, wenn die Kinder Grün haben.“ Auch die sechsjährige Jasmin findet die Kreuzung gefährlich. Martin, 11 Jahre, sagt dagegen, er habe keine Angst: „Ich fahre hier mit meinem Fahrrad.“

Bei Schulbeginn in der nächsten Woche werden Verkehrswacht, AOK und ADAC und der Senat wieder eine Kampagne zur Verkehrssicherheit beginnen. Aber ob die Kinder vor den Autolawinen durch eigenes vorbildliches Verhalten im Straßenverkehr sicher sind, kann niemand garantieren. Auch nicht Andreas Przibylla. Der Polizeibeamte ist unter anderem zuständig für die Sicherheit auf Kreuzbergs Straßen. Er kann nur darauf verweisen, daß es an der Ecke Kreuzbergstraße/Manteuffelstraße statistisch den höchsten Sicherheitsstandard gibt, weil die „Lichtzeichenanlagen“ (Ampeln) funktionieren. Ampeln seien die sicherste Maßnahme – und trotzdem starb Jan bei funktionierender Ampel. Przibylla nennt es „unglückliche Umstände“, die vor drei Jahren den sechsjährigen Jungen das Leben kosteten. Das sei das „Problem mit den Rechtsabbiegern“: Dieser Unfall „hätte an jeder kleineren oder größeren Kreuzung passieren können“. Die „Lichtzeichenanlagen“ seien ja auch damals „in Ordnung“ gewesen. Aus diesem Grund wird auch nächste Woche, wenn in ganz Berlin Kontaktbereichsbeamte für zwei Wochen „gezielt an den Schulwegen der neuen Abc-Schützen“ eingesetzt werden, niemand an der Katzbach- Ecke Kreuzbergstraße stehen.

Nachtrag: Laut Statistik ist die Zahl der Verkehrstoten rückläufig. In diesem Jahr sind bisher in Berlin 40 Menschen im Straßenverkehr tödlich verunglückt. Unter den Verunglückten sind bisher keine Kinder. Karen König