US-Budget: Die Quadratur des Kreises

■ Was in Deutschland nicht gelingt, haben US-Regierung und Kongreß jetzt vollbracht: Gesetze über Steuererleichterungen und die Sanierung des Haushaltes

Washington (taz) – Wenn Politik die Kunst des Möglichen ist, dann haben Präsident Bill Clinton und der US-Kongreß diese Woche ein kleines Kunstwerk und zugleich die Quadratur des Kreises vollbracht. Am Donnerstag wurde ein Spar- und Haushaltspaket verabschiedet, daß den chronisch defizitären US-amerikanischen Haushalt in fünf Jahren ausgleichen und zugleich Steuererleichterungen von 96 Milliarden Dollar über den gleichen Zeitraum bringen soll.

Damit erfüllt sich spät, was die beiden zur Zusammenarbeit gezwungenen politischen Kräfte ihren Wählern ursprünglich verheißen hatten: der demokratische Präsident Clinton, der 1992 mit dem Versprechen antrat, das Land mit einer Ausgabenpolitik in der Tradition Roosevelts und Johnsons für das 21. Jahrhundert bereit zu machen, und der republikanische Kongreß, der 1994 versprach, die Befugnisse und vor allem die Ausgaben der Bundesregierung drastisch zurückzuschneiden und den Haushalt auszugleichen.

Eine Quadratur des Kreises ist das, was unter dem Schlagwort Budget Deal (Haushaltskompromiß) heute in Washington gefeiert wird, gleich doppelt. Einerseits bringt der Deal es fertig, den Haushalt trotz Steuermindereinnahmen auszugleichen, andererseits schafft er es, trotz Ausgabenkürzungen viel Geld für Clintons liebste Sozialprogramme bereitzustellen. Wie das geht? Einerseits hilft die wirtschaftliche Entwicklung in den USA, und andererseits sind Steuerkürzungen oft nur die Negativform von Steuerausgaben.

Was die Ausgabenkürzungen anbelangt, so haben Wirtschaftsfachleute sich in den letzten Wochen, in denen um das Steuerpaket gerungen wurde, schon über die Anstrengungen der Verhandlungspartner in Kongreß und Weißem Haus lustig gemacht. Die Dynamik der US-Wirtschaft läßt es in den Steuerkassen nur so klingeln, so daß die Politik eigentlich gar nichts zu tun brauchte, der Haushalt wäre auch so in einigen Jahren ausgeglichen.

Die wichtigsten Einsparungen wurden im Bereich der öffentlichen Krankenversicherung für Alte und Arme, Medicare und Medicaid, gemacht. Was da verabschiedet wurde, hat große Ähnlichkeiten mit den in Deutschland bekannten Kostendämpfungsgesetzen.

Die Steuererleichterungen hingegen sind verkappte Ausgabenprogramme. Als wichtigste wären der 500-Dollar-Steuerfreibetrag für Kinder zu nennen sowie die Steuerbegünstigung von Studienkosten. Eltern können steuerbegünstigte Sparpläne für die zu erwartenden Studiengebühren anlegen. Auch Probleme der Rentenfinanzierung und Krankenversicherung werden auf diese Weise angegangen.

Sparpläne zur Finanzierung von Krankenkosten und Pensionierung sind jetzt steuerbegünstigt. Bei aller Freude an Steuersenkungen wurde eine Steuer auch erhöht, die auf Zigaretten nämlich. Sie soll über 5 Jahre 24 Milliarden Dollar abwerfen und zur Schaffung einer Krankenversicherung für unversicherte Minderjährige dienen.

Unzufrieden mit dem Steuerkompromiß sind Puristen auf beiden Seiten: Phil Gramm, der republikanische Senator aus Texas und gescheiterte Präsidentschaftskandidat von 1996, macht geltend, daß die Bundesregierung weiterhin durch Steuerpolitik das Verhalten der Bürger zu bestimmen sucht, statt sich aus den Tagesgeschäften der Familien und Firmen rauszuhalten.

Der Minderheitensprecher im Repräsentantenhaus, der demokratische Abgeordnete Richard Gephardt, der sich auf eine Präsidentschaftskandidatur im Jahre 2000 vorbereitet, sieht vor allem in der Senkung der Vermögenssteuer ein Beweis dafür, daß wieder mal den Armen genommen wird, um den Reichen zu geben. Peter Tautfest