■ Nachschlag
: Toll drauf: Tharps Compagnie tanzt in der Komischen Oper

Schnell und athletisch werfen die Tänzer von Twyla Tharps eigener Compagnie ihre Bewegungen hin und her und nehmen so selbst olympischen Arabesken und weitausgreifenden Gesten das Pathos. Die rivalisierenden Männer, der Einsame, die Paare: auf diese Strukturelemente sind die Spuren der Handlung eingekocht. Aus ihrer simultanen und komplexen Verschränkung erhält „Heroes“ seine dichte Kraft.

Mit „Heroes“ beginnt das dreiteilige Programm „Tharp!“ in der Komischen Oper, Glanznummer von Tanz im August. Man könnte schreien und die Gruppe auf ihre technische Brillanz und Virtuosität reduzieren, erläge man nicht der Verführung durch die schöne Bewegung. Man könnte die geschmeidige Kompatibilität von Tharps Stil, in dem Ballett und Broadway, Pop und Klassik, Jazz und Rock 'n' Roll mühelos verschmelzen, als postmoderne Beliebigkeit geißeln, entstünde da nicht eine quicklebendige, erfahrungsreiche Bewegungssprache. Nicht entkräften aber läßt sich das letzte Vorurteil: „Tharp!“ ist so amerikanisch wie die „jeans, that built America“, beseelt von Optimismus, Kraft verschleudernd, als stünden ihre Ressourcen unendlich zur Verfügung, und sehnsuchtsvoll in der Projektion ideeller Gemeinschaftsbilder.

Zu Hymnen der amerikanischen Religionsgemeinschaften des 18. und 19. Jahrhunderts entwickelte die „first lady of post-modern dance“ flirrende Reigen und Schütteltänze, die in ihrer Harmonie nicht mehr von dieser Welt sind – eine Verklärung ihrer Wurzeln im Quäkertum mit nationalistischem Unterton. Noch nostalgischer fällt „66“ aus, in niedlichen Jeansshorts zu einem Potpourri beliebter Autofahrermelodien getanzt. Die Evergreens stimmen ein auf eine Zeit, als die Freiheit des Autofahrers für die Möglichkeiten des Lebens schlechthin stand. Tharps Compagnie tanzt zwar sexy und mit Witz, aber die Choreographie kommt über anekdotische Vorlagen von Eisdielen-Flirts und einen agil um seinen Krückstock schwingenden Greis nicht mehr hinaus. Dieses Versacken im Kitsch ist nach dem hinreißenden Beginn doch unverzeihlich. Katrin Bettina Müller

„Tharp!“, Komische Oper, bis 5. August, 20 Uhr, Behrenstraße 55-57, Mitte