Hopp wieder in Colonia Dignidad

■ Nach Rückkehr und Verhör ist die Nummer zwei wieder frei. Sektenmitglieder sauer über Flucht zweier Männer

Buenos Aires (taz) – Nur drei Stunden mußte Hartmut Hopp, die Nummer zwei der berüchtigten Colonia Dignidad in Südchile, Fragen der Ermittlungsbehörden über sich ergehen lassen. Dann war er wieder auf freiem Fuß. Nachdem er am Donnerstag Hals über Kopf mit vier weiteren Sektenmitgliedern in die argentinische Andenstadt Mendoza geflohen war, kehrte er am Freitag überraschend nach Santiago de Chile zurück. Bei seiner Ankunft auf dem Flughafen der chilenischen Hauptstadt wurde er sofort festgenommen.

Nach dem Verhör konnte Hopp, der sogenannte Außenminister und Sprecher der Colonia Dignidad, seinen am Flughafen geparkten blauen Mercedes besteigen und wieder zurück in die knapp 360 Kilometer südlich von Santiago gelegene Colonia fahren. Bei seiner Flucht vergangene Woche hatte es Hopp so eilig, daß er sogar vergaß, den Zündschlüssel seines Gefährts abzuziehen, ehe er in den Flieger nach Argentinien stieg.

In der Colonia Dignidad wurde Hopp nach seiner Rückkehr freudig empfangen. Auf seine kurzzeitige Festnahme hatte man dort stinksauer reagiert. Eine alte Frau der deutschen Sektenburg bezeichnete im chilenischen Fernsehen alles, was der Colonia vorgeworfen wird als „Lügen, nichts als Lügen“. Aufgebracht fragte sie: „Wollen sie einen Bürgerkrieg? Wir werden für den Doktor Hopp unser Blut geben.“

Inzwischen wird immer mehr in Zweifel gezogen, daß Hopps übereilte Argentinienflug als Flucht geplant war. Vermutlich war es Hopp wichtiger, seinen unrechtmäßig adoptierten Sohn Michael außer Landes zu bringen. Denn Michael sollte vor dem Ermittlungsrichter im Verfahren gegen den seit einem Jahr abgetauchten Colonia-Dignidad-Chef Paul Schäfer aussagen.

Schäfer wird mit internationalem Haftbefehl wegen Kindesmißbrauchs gesucht. Trotz mehrerer Durchsuchungen auf dem 1.300 Quadratkilometer großen Dignidad-Gelände konnte die chilenische Polizei den 76jährigen nicht auftreiben. Es wird aber vermutet, daß Schäfer noch auf dem Gelände der Colonia ist.

Das weite Areal der Colonia Dignidad, die sich erst vor kurzem in Villa Baviera umbenannt hatte, ist sehr unübersichtlich. Es gibt mehrere Wälder und ein 167 Kilometer langes Netz von Bewässerungskanälen. Die 40 Häuser haben zusammen etwa 20.000 Quadratmeter Wohnfläche. Das Gelände hat insgesamt 58 Brücken und Straßen von 126 Kilometer Länge. Die 300 meist deutschen Bewohner haben auf dem Gelände ein Tunnelsystem gebaut.

Die beiden vergangene Woche aus der Colonia Dignidad geflohenen jungen Männer, der Deutsche Tobias Müller und der Chilene Zalo Luna, landeten am Samstag auf dem Frankfurter Flughafen. Nach ihrer Flucht waren die beiden zunächst im Privathaus des stellvertretenden deutschen Botschafters untergekommen. Vor ihrem Abflug waren sie acht Stunden lang vom Ermittlungsrichter in Sachen Colonia Dignidad, Hernan Gonzales, vernommen worden.

Wütend reagierte die angebliche Adoptivgroßmutter von Tobias Müller auf dessen Flucht aus der Sektenburg. „All die Leute, die gegen mich und gegen uns sind, konnten mit ihm sprechen, nur ich nicht“, heulte sie auf deutsch bei einer Pressekonferenz mediengerecht in die Fernsehkameras.

Und Wolfgang Müller, der sogenannte Stiefbruder, beschwerte sich: „Wir hatten nicht die Möglichkeit, mit Tobias zu sprechen. Wir wissen nicht, ob er freiwillig gegangen ist.“ Immer wieder beschuldigten die Mitglieder der Colonia Dignidad die deutsche Botschaft, die Flucht gesteuert zu haben. Ingo Malcher