Ökologisch wohnen in Gemeinschaft

■ Die Wogeno in München belebt seit 1993 die ehemals vermuffte Idee der Wohn- und Baugenossenschaft neu

München (taz) – Die Genossenschaft, in der meine Oma von den dreißiger bis in die neunziger Jahre gewohnt hat, löst bei mir vor allem die Erinnerung an gelebte Spießigkeit aus. Das schwarze Blechschild mit den gotischen Buchstaben „Hausordnung“ an der Tür sagte jedem, wer für die saubere oder weniger saubere Treppe verantwortlich war. Der Rasen war kein Spielplatz für Kinder, und die anderen Bewohner waren meistens Rentner und immer lärmempfindlich. „Daß nur die Nachbarn nichts Schlechtes denken“, entsprach der Grundstimmung meiner Oma, die sich nie in irgendwelche Angelegenheiten der Genossenschaft einmischte und mit ihrer Wohnung ganz zufrieden war.

Meine Erinnerung paßt zumindest zu den Feststellungen des Architekten und Genossenschaftsexperten Thomas Hartmann: „Kennzeichnend ist heute eine niedrige Partizipations- und Selbsthilfebereitschaft der Mitglieder, der eine hohe Loyalität und Wohnzufriedenheit gegenübersteht.“ Ähnlich urteilt das Bundesbauministerium: Nach einer Auftragsstudie ist jeder zweite Genossenschaftsbewohner mit den eigenen vier Wänden zufrieden; knapp 20 Prozent sind sogar „sehr zufrieden“ (taz vom 30. 6. 97).

In dieser Situation versuchen einige Genossenschaften, den alten Gedanken von Selbsthilfe und Unabhängigkeit wieder zu beleben. Die Wogeno in München, gegründet 1993, ist ein solches Beispiel: Eine Genossenschaft mit linksalternativem Touch, sozialen und ökologischen Ideen und inzwischen über 300 motivierten Mitgliedern.

Zwei Gebäude in München hat die Wogeno bisher von der Stadt gekauft. Das eine ist ein stadtbekanntes Schwabinger Spekulationsobjekt, an dem sich in den achziger Jahren diverse Eigentümer diverse Tausendmarkscheine verdient haben. Das andere ist ein Wohnblock im Szeneviertel Haidhausen, den die Stadt mangels Kapital nicht sanieren konnte und deshalb fünf Jahre leerstehen ließ.

Beide Male kam die Wogeno erst nach zähen Verhandlungen mit der Stadtverwaltung zum Zug, denn immer wieder wollten Politiker und Beamte die Häuser an normale Käufer abtreten. Besondere soziale Zugeständnisse beim Preis machte die hoch verschuldete Münchner Stadtverwaltung ebenfalls nicht, so daß die Mieten nicht sonderlich niedrig ausfallen.

Wer mit seinem Einkommen zum Beispiel jenseits der Grenzen des sozialen Wohnungsbaus liegt, muß eine Kaltmiete von 14 Mark pro Quadratmeter akzeptieren und zusätzlich eigenes Kapital mitbringen – noch mal etwa 1.000 Mark pro Quadratmeter, so daß die Kaltmiete auf über 17 Mark steigt. Wer dagegen die Kriterien für eine Sozialwohnung erfüllt, kommt wesentlich billiger davon – mit knapp zehn Mark pro Quadratmeter.

Trotz der zusätzlich verlangten Mitarbeit bei der Sanierung hatte die Wogeno keine Probleme, die über 70 Mieter für die 28 Wohnungen zu finden: „Die langfristige Sicherheit vor Kündigungen und Mieterhöhungen macht die Wohnungen attraktiv. Außerdem behagt das soziale Gefüge vielen Mietern“, sagt Wogeno-Vorstand Christian Stupka.

Nachdem Kauf und Sanierung der beiden Häuser weitgehend erledigt sind, hat die Wogeno viele Zuständigkeiten an die beiden Hausgemeinschaften abgegeben. Die schlagen sich nun selbstverwaltet mit den alltäglichen Fragen herum: Welche Farbe bekommt die Fassade? Wie organisiert man die gemeinsame Kinderbetreuung? Gibt man einer Obdachloseninitiative eine Wohnung?

Nun wagt sich die Wogeno an zwei Neubauten. Einer davon wird behindertengerecht und barrierefrei gestaltet: Fünf von 30 Wohnungen sind für Rollstuhlfahrer vorgesehen. Beide Häuser sollen ökologisch vorbildlich gebaut werden, Sonnenlicht und Regenwasser nutzen sowie Car-sharing ermöglichen. Die Mieten werden zwischen 10 und 18 Mark pro Quadratmeter liegen; für beide Projekte können sich noch Interessenten melden. Allerdings ist nur bei einem Gebäude weitgehend sicher, daß es 1998 fertig wird. Bei dem anderen Öko-Projekt hat sich kürzlich herausgestellt, daß der Boden mit einem Altlastencocktail verseucht ist. Nun beginnt erst einmal die Auseinandersetzung mit der Stadt, wer die Sanierung zahlen soll. Felix Berth

Wogeno, Daiserstraße 15, 81371 München