Papst gegen Bischofsmehrheit

■ Papst will angeblich die deutschen Bischöfe auffordern, aus der Schwangerschaftsberatung auszusteigen. Langer Streit

Berlin (taz) – Die katholische Kirche in Deutschland steht möglicherweise vor einem ihrer schwersten Konflikte. Sollte wahr werden, was das Nachrichtenmagazin Focus in seiner heutigen Ausgabe berichtet, dann will Papst Johannes Paul II. direkt in die Schwangerschaftsberatung eingreifen. Mit einem „Apostolischen Brief“ wolle der Papst oder der im Vatikan für Glaubensfragen zuständige Kardinal Joseph Ratzinger die deutschen Bischöfe auffordern, die kirchliche Schwangerschaftsberatung einzuschränken. Danach sollen die katholischen Beratungsstellen zwar noch Gespräche mit Schwangeren führen dürfen; sie dürften aber den Beratungsschein nicht mehr ausfüllen, der für eine Abtreibung vorgelegt werden muß.

Der Bericht wurde gestern allerdings in der Welt am Sonntag wieder abgeschwächt. Dort erklärte der Sekretariatsleiter der Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, der Tenor der Stellungnahme sei noch nicht bekannt, der Ausgang „offen“. Ohnehin werde sich der Vatikan vor einer endgültigen Entscheidung noch einmal bei der Bischofskonferenz melden.

Der Konflikt innerhalb der katholischen Kirche ist keinesfalls neu. Überraschend war erst im Mai dieses Jahres eine hochrangige Delegation von 27 deutschen Bischöfen nach Rom gereist, um mit dem Papst über die deutsche Regelung zur Schwangerschaftsberatung zu diskutieren.

Daß das Kräftemessen noch lange nicht zu Ende ist, hat seine Ursache auch im Streit innerhalb der deutschen Bischofskonferenz. Nach wie vor lehnen einige Bischöfe die Neufassung zum Paragraphen 218 ab, auf den sich eine Allparteien-Koalition 1995 geeinigt hatte. Danach wird eine Frau verpflichtet, sich vor einer Abtreibung einer Beratung zu unterziehen. Von den 1.685 Schwangeren- Beratungsstellen in Deutschland werden 259 von der katholischen Kirche unterhalten, je zur Hälfte von der Caritas und vom Sozialdienst katholischer Frauen. Vor allem stockkonservative Kreise in der katholischen Kirche sehen in der gesetzlichen Beratung eine Beihilfe zur Abtreibung. Ungeachtet der päpstlichen und innerkirchlichen Kritik, hielt bislang der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, an der kirchlichen Beratung fest. Zwar wiederholte der Sekretär der Bischofskonferenz, Langendörfer, die Schelte der deutschen Bischöfe an der Regelung („ungenügend“). Dennoch plädiere eine „sehr große Mehrheit“ der Bischöfe dafür, daß die Kirche im gesetzlichen Rahmen an der Beratung von Schwangeren teilnehme. Nur so gebe es für die Kirche die Möglichkeit, „ungeborenes Leben“ zu retten. sev