Kahlschlag unter dem Kirchturm

■ Die evangelische Kirche will nach dem Sparhaushalt 1997/98 auch 1999 drastisch sparen: 40 Millionen gestrichen. Tagungshäuser, Sozialprojekte und Kitas sollen keine Kirchensteuergelder mehr bekommen

Da hilft nur noch beten: Die evangelische Landeskirche Berlin- Brandenburg setzt radikal den Rotstift an. Für das Jahr 1999 werden die Ausgaben für landeskirchliche Aufgaben von bisher zirka 103 Millionen Mark auf etwa 60 Millionen gekürzt. Vielen kirchlichen Einrichtungen wird das Geld gesperrt, der Zuschuß für die Kitas der Gemeinden auf Null heruntergefahren. Betroffen von den erneuten rigorosen Sparmaßnahmen sind alle Bereiche der Kirche außer die Krankenhaus- und die Gefangenenseelsorge, erklärte gestern Bischof Wolfgang Huber.

Der Vorschlag der Kirchenleitung muß vom Parlament der Kirche, der Synode, im Herbst beschlossen werden. Wenn dies geschieht, steht der Kirche bereits der zweite Sparhaushalt innerhalb eines Jahres ins Haus: Erst Ende 1996 hatte die Synode zähenknirschend den Sparhaushalt 1997/98 beschlossen. Demnach werden in den zwei Jahren 70 Millionen Mark eingespart, 1.300 Stellen fallen weg, betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen.

Die erneute drastische Sparrunde begründete Huber mit den wegbrechenden Einnahmen aus der Kirchensteuer. Während für 1997 mit drei Prozent weniger Steuereinnahmen gerechnet wurde, fehlen tatsächlich 15 Prozent, weil 22.000 Menschen 1996 die Kirche verließen. Außerdem drückt die Arbeitslosigkeit die Steuereinnahmen, und die geplante Steuerreform bedroht die Kirchen noch einmal mit Mindereinnahmen. Die Rücklagen der Kirchen seien erschöpft.

Dieser Situation sei „nicht mehr mit einer schlichten Fortschreibung der Strukturen des Haushalts auf niedrigem Niveau zu bewältigen“, erklärte Huber. In einer Liste sind die bedrohten Projekte aufgeführt: acht Tagungshäuser, zwei Arbeitsbereiche bei der Jugendarbeit, neun Bereiche der Ökumenearbeit wie etwa der Flüchtlingsrat, 15 Einrichtungen der Erwachsenenarbeit wie der CVJM oder die Suchtkrankenhilfe, sieben Ausbildungsprojekte und zehn Einzelzuwendungen wie die Aktion Sühnenzeichen fallen aus der Förderung mit Kirchensteuern gänzlich heraus. Dabei sei die „Schließung einzelner Projekte nicht ausgeschlossen“, meinte die Finanzreferentin der Kirche, Barbara Hoeppner. In der Verwaltung werden fast acht Millionen eingespart, das Diakonische Werk erhält mit drei Millionen nur noch die Hälfte der Zuwendungen. Die kirchlichen Kitas werden keinen Pfennig mehr erhalten. Statt dessen sollen die Gemeinden für die Versorgung der Kinder aufkommen. Angesichts der Notlage müsse man sich auf die „Kernaufgaben der Kirchen“ beschränken, erklärte Huber. Das heiße, „die Botschaft von der Liebe Gottes in Gottesdienst, Seelsorge, Bildung, Mission und Diakonie weiterzugeben“. Dabei stelle sich die Frage, ob ein Arbeitsgebiet notwendig für die Erfüllung der Kernaufgabe der Kirche sei, ob das Gebiet nur von der Kirche bearbeitet oder möglicherweise in freier Trägerschaft weitergeführt werden könne. Auch sei in Zukunft zu prüfen, ob „durch kirchlichen Mitteleinsatz in erheblichem Umfang Drittmittel eingeworben“ werden könnten. Corinna Budras/Bernhard Pötter