Der US-Dollar steigt - zur großen Freude der deutschen Industrie, die ihr Ergebnis überdurchschnittlich wachsen sieht. Daimler-Benz konnte durch den starken Dollar allein im ersten Halbjahr 97 mindestens 400 Millionen Mark extra verbuchen.

Der US-Dollar steigt – zur großen Freude der deutschen Industrie, die ihr Ergebnis überdurchschnittlich wachsen sieht. Daimler-Benz konnte durch den starken Dollar allein im ersten Halbjahr 97 mindestens 400 Millionen Mark extra verbuchen.

Wer Dollar kassiert, verdient im Schlaf

Am schönsten sind immer die Gewinne, für die Unternehmen nichts getan haben. Für die Unternehmer keine Lohnkosten und keine Sozialabgaben zahlen mußten, für die sie keine Rohstoffe eingesetzt haben, die nicht durch Lagerung, Vertrieb und Marketing geschmälert wurden, die nicht einmal durch Investitionen oder gar Forschung verursacht wurden, sondern die einfach durch die pure Existenz des Unternehmens auf den Konten einlaufen.

Zur Zeit freut sich die deutsche Vorstandsriege von Daimler-Chef Jürgen Schrempp bis Bayer-Boß Manfred Schneider über die Millionen, die ihnen aus den steigenden Dollarkursen zufließen. Seit Anfang des Jahres stieg der Dollar gegenüber der Mark um 21 Prozent. Am Freitag vergangener Woche erreichte er mit 1,86 Mark seinen Höchststand seit November 1986. Und auch gestern war die US-Währung nicht zu halten: 1,87 Mark kostete der Dollar in Frankfurt.

Bis zu 400 Millionen Mark Gewinn aus dem stetig steigenden Dollar kann die Daimler-Benz AG allein im ersten Halbjahr 1997 zusätzlich verbuchen; Analysten gehen gar von 500 Millionen Mark aus. Das wären rund ein Viertel des Gewinns. Vor zwei Jahren jammerte Vorstandschef Jürgen Schrempp noch über den sinkenden Dollar und seine damit schwindenden Gewinne. Rendite wollte Schrempp, und zwar kräftig. Den Aktionär immer im Visier, legte sich Schrempp Dolores, das Dollar-low-rescue-Programm, zu.

Mit der als „Wettbewerbsinitiative“ schöngeredeten Dolores wollte Schrempp ein Konzernergebnis von 1,2 Milliarden Mark erreichen, selbst wenn der Dollar bei 1,35 Mark stehen sollte. 8.800 Stellen wollte Schrempp dafür in Deutschland bei der Luft- und Raumfahrttochter Dasa streichen, fünf Betriebsstätten schließen. Schließlich hängt die Luftfahrtbranche ausschließlich am Dollar.

Dollar hoch oder runter, „Dolores ist nach wie vor aktuell“, sagt Eckhard Zanger, Sprecher des Daimler-Konzerns. Niemand könne schließlich sagen, ob der Dollar nicht mittelfristig doch wieder sinkt. „Immerhin wurden ja 3.200 weniger Stellen abgebaut als zunächst angekündigt“, verteidigt Dasa-Kollege Breitsprecher Dolores. Das hänge jedoch ebenfalls nicht mit dem Dollar zusammen, sondern mit der guten Auftragslage. Fast wöchentlich ordern internationale Fluggesellschaften Airbusse bei der Dasa. In den ersten sechs Monaten ist der Auftragsbestand um 50 Prozent gestiegen.

Es würden ja auch nicht alle Wechselkursgewinne in das Unternehmen fließen, schwächt Zanger ab. In guten wie in schlechten Zeiten sichern Unternehmen ihre Ein- und Verkäufe nämlich über Banken an den internationalen Finanzmärkten ab. Weiß ein Unternehmer, daß er in drei Monaten eine Million Dollar von einem Kunden erhält und hat die Summe zu einem bestimmten Kurs in die Bilanz schon mal eingerechnet, möchte er nicht aufgrund von Wechselkursschwankungen den Gewinn schmälern oder gar verlieren. Er schließt mit einer Bank einen Vertrag über einen fiktiven, aber plausiblen Kurs und kann geruhsam abwarten. Liegt der Kurs unter der Annahme, hat sich das Geschäft gelohnt. Liegt der Dollar oberhalb der Analystenmeinung, geht ein Teil des Kursgewinns flöten. Theoretisch zumindest. Denn nicht alle Absicherungen sind fix, Milliardensummen werden über Optionsscheine gesichert. Dann kann der Unternehmer seine Mark in Dollar zu einem festgelegten Datum verkaufen, muß aber nicht.

Die Hände über die starke US- Währung reibt sich auch Manfred Schneider, Vorstandschef der Bayer AG. Ein Viertel des Umsatzes macht der Chemiekonzern in Nordamerika. Asien und Lateinamerika, ebenfals im Dollarraum, bringen auch rund ein Viertel in die Kassen des Konzerns. Sie werden „eher positiv“ zum diesjährigen Ergebnis beitragen, sagt Konzernsprecher Günter Forneck. Da Bayer kaum von den in Dollar abgerechneten Rohstoffimporten abhängt, schmälert zum Beispiel der Erdölpreis in Dollar nicht den Gewinn. Außerdem zieht es Bayer schon seit Jahren vor, Werke in aller Welt aufzubauen, um von den Kursen unabhängig zu sein. Ausschlaggebend ist zwar auch die Markterschließung auf fremden Kontinenten, aber Argument Nummer zwei ist und bleibt die Devisenschwankung und nicht etwa billigere Lohnkosten. Den Boom der Exportwirtschaft spürt auch Chemiekollege BASF. Obwohl der Konzern stärker von Rohstoffen abhängt, „schlägt die Erlösseite stärker aus“, sagt Sprecher Bernd Gerling.

Wie dem deutschen Urlauber mit schwacher Mark in den Straßen von New York geht es auch der deutschen Erdölbranche und den von ihr abhängigen Unternehmen. Ihre Kaufkraft schwindet. Kann der Tourist noch knausern, wälzen die Ölkonzerne ihre steigenden Kosten in der ausschließlich mit Dollar handelnden Branche auf die Kunden ab. „Das kommt mit zeitlicher Verzögerung“, sagt Rainer Winzensried, Sprecher der Deutschen Shell AG, aber die teureren Benzin-, Heizöl- und Plastikpreise kommen. Ulrike Fokken