Aggressive Expansion

■ Die US-Ölgesellschaft Unocal hat Probleme: in Birma und Afghanistan

Am 25. März 1997 sprach Richter Richard Paez in Los Angeles ein wichtiges Urteil in bezug auf die Verantwortlichkeit von Ölgesellschaften gegenüber den Bürgern der Länder, in denen sie operieren. Sein Urteil bezog sich auf einen Fall, den 15 birmesische Kläger wegen Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land gegen die Oil Company of California (Unocal) angestrengt hatten. Sie mußten beweisen, daß die Ölgesellschaft mit der birmesischen Regierung „konspiriert“ hat, um „in Verfolgung ihrer finanziellen Interessen im Yadana-Gaspipeline- Projekt die Menschenrechte der Kläger zu mißachten“. Das eine Milliarde US-Dollar teure Joint- venture-Projekt zwischen Unocal und Birma zur Erschließung der Gasfelder vor der Küste des Landes ist das größte Investitionsprojekt in Birma, seit das birmesische Militär den Machtantritt der 1990 demokratisch gewählten National League for Democracy (NLD) verhindert hat.

Zwar konnten die birmesische Regierung und ihre Myanmar Oil and Gas Company (Moge) einer Verurteilung zu Schadensersatzleistungen aufgrund der Unverletzbarkeit der Souveränität eines anderen Landes entgehen, Unocal jedoch könnten hohe Forderungen wegen der angeblichen Menschenrechtsverletzungen im Zuge des Pipelinebaus ins Haus stehen. Dazu gehören Zwangsarbeit, Folter, Vergewaltigung, Umweltzerstörung und das Waschen von Drogengeldern. Der Geldwäschevorwurf wurde im Dezember 1996 von der in Paris ansässigen Organisation Geo Political Drugwatch erhoben, die Unocals Partner Moge beschuldigte, der Hauptpartner im Heroinhandel des Landes zu sein. Der Vorwurf wird derzeit weiter untersucht.

Präsident Clintons Handelssanktionen gegen Birma sind ein weiterer Schlag für Unocal. Während sich andere Gesellschaften prompt aus Birma zurückzogen, war Unocals Chef Roger Beach nur besorgt über die Folgen der Sanktionen für die ökonomische Entwicklung Birmas.

Mitspielen in „New Middle East“

Unocal ist die zwölftgrößte Ölgesellschaft der Welt und hatte laut Jahresbericht 1996 Gesamteinnahmen in Höhe von 5,3 Milliarden US-Dollar. Ihre Operationen umfassen jeden Schritt in der Produktionskette, von der Erschließung der Ölfelder bis zu kleinsten Vermarktungseinheiten. Zu ihren besonderen Spezialitäten gehört auch die Erfindung eines super- raffinierten „sauberen“ Benzins für den anspruchsvollen kalifornischen Markt.

Unocal wurde 1890 in Santa Paula, Kalifornien gegründet und bewegt sich seit den sechziger Jahren in internationalen Gefilden. Erst kürzlich wurde die Gesellschaft zu einem der ganz großen Spieler auf internationaler Bühne, besonders im Gebiet des Kaspischen Meeres. Weitere Interessen liegen in China, Afghanistan und der Demokratischen Republik Kongo (früher Zaire), in Birma, Thailand, Pakistan und Großbritannien wurden Investitionen vorgenommen, vor kurzem eröffnete ein Büro in Kuala Lumpur, Malaysia, und man gibt zu, eine „aggressive Expansion“ nach Asien zu planen.

In ihrem Bemühen, zu einem wichtigen Mitspieler in der Region zu werden, die schon als „der neue Mittlere Osten“ bezeichnet wird, ist Unocal mit diskreter Unterstützung Washingtons an einigen höchst komplexen politischen Manövern in Zentralasien beteiligt. Als einer der Partner des in Baku ansässigen Ölkonsortiums Azerbaijan International Operating Company (AIOC) kontrolliert Unocal schon jetzt 9,5 Prozent der Azeri-, Chirag- und Guneshil-Felder in Aserbaidschan. Es laufen Verhandlungen über einen „Öl- Tausch“ mit dem Iran, um aserbaidschanisches Öl und Gas über den Iran auszuführen – trotz US-Sanktionen gegen jegliche Zusammenarbeit mit dem Iran.

Darüber hinaus ist Unocal der führende Konkurrent für die Baulizenz eines 900 Meilen langen und 2,5 Milliarden teuren Gaspipelineprojekts, das den Transport des Gases vom südöstlichen Turkmenistan bis zum Hafen von Gwadar in Pakistan gewährleisten soll. Die geplante Route der Pipeline verläuft durch afghanische Gebiete, die von den Taliban kontrolliert werden. Aber die neuen Unwägbarkeiten des afghanischen Bürgerkriegs könnten die Pläne der Unocal doch noch zunichte machen.

Unsicherheitsfaktor Bürgerkrieg

Unocals „humanitäre Hilfe“ für die Taliban — insbesondere in Form von Faxgeräten — hat das Unternehmen gegen die sich ständig verändernden Fronten des afghanischen Stammeskrieges nicht immun gemacht. Die Taliban sehen den Pipelinevertrag als Mittel zur ihrer politischen Legitimierung und internationalen Anerkennung als Regierung Afghanistans.

Neue Konflikte und überraschende Rückzüge der Taliban im Norden bedrohen jetzt die Stabilität, die sich mit ihrem schnellen Vormarsch in zwei Dritteln des Landes angekündigt zu haben schien. Unocal hat alles auf eine Karte — die Taliban — gesetzt und kann jetzt die nötigen Finanzen für die Pipeline auf einem nervös gewordenen internationalen Geldmarkt nicht mehr zusammenborgen. Während Unocal zögert, haben die Taliban ihre Position ausgenutzt und Verhandlungen mit der argentinischen Ölgesellschaft Bridas aufgenommen. Unocal hofft weiterhin, daß ihre „strategische Partnerschaft“ mit den saudischen Gesellschaften Delta-Oil und Nimir-Petroleum die Taliban am Ende überzeugen wird.

Sollte Unocal beschließen, daß Chancen in Birma einen international ruinierten Ruf nicht wert sind, wird sich die Gesellschaft womöglich tatsächlich zurückziehen, um ihre weitaus höheren Einsätze in Zentralasien zu retten. Seit Birma in die Association of Southeast Asien Nations (Asean) aufgenommen wurde, wird es an neuen Interessenten für Unocals birmesische Anteile nicht mangeln. Nevine Mabro

Nevine Mabro ist Mitarbeiterin von „Index on Censorship“