Ein extrem mieses Image

Mit der Ölindustrie verbindet man Umweltverschmutzung, Kungeleien und Profitdenken. Sie hat es nicht geschafft, ihren Beitrag, etwa zur Modernisierung der Industriegesellschaften, glaubwürdig und positiv darzustellen  ■ Von Edward L. Morse

Vielleicht abgesehen von den Regionen in der Welt, in denen Ölfunde zu einer deutlichen Erhöhung des Lebensstandards geführt haben, wie in Baku oder Tulsa, Riyadh und Jakarta, hat es die Ölindustrie nicht geschafft, positive Anerkennung in der öffentlichen Meinung zu erringen. Trotz der Tatsache, daß billige fossile Brennstoffe die Grundlage unserer modernen Gesellschaft sind und ihre industriellen und kommerziellen Systeme, ihren Wohnungs-, Elektrizitäts- und vor allem auch Transportsektor in Gang halten, leidet die Industrie, die den entscheidenden Rohstoff erschließt, fördert und seine Produkte auf den Markt bringt, an einem Imageproblem.

Wie die Tabakindustrie, mit der sie oft verglichen wird, hat die Ölindustrie einen schlechten Ruf. Die Öffentlichkeit assoziiert mit ihr vor allem Umweltverschmutzung. Und sie wird mit menschenrechtsverletzenden Regimes in Verbindung gebracht, die von ausländischen Öl- und Gasgesellschaften auch noch unterstützt werden. Diese Unternehmen scheinen ihre Profite auf Kosten der Bürger zu machen, wirken scheinheilig und unsensibel gegenüber den Bedürfnissen ihrer Angestellten und denen der indigenen Völker, deren Ressourcen sie ausbeuten. Zudem wird ihnen häufig Korruption vorgeworfen.

Auch das Verhältnis zu ihren eigenen Regierungen ist mehr als kompliziert: Einmal erscheinen sie als außenpolitische Werkzeuge, ein andermal als rücksichtslose Kapitalisten, die den außenpolitischen Zielen ihrer Regierung zuwiderhandeln, wenn ein nicht befreundetes Land durch einen Ölboykott diszipliniert werden soll.

Anders als die Tabakindustrie, die ihre Konsumenten ständig von den Vorteilen ihrer Produkte überzeugen kann, hat sich bisher noch kaum jemand mit der Bekämpfung des negativen Images der petrochemischen Industrie in den Industrieländern befaßt. Die Regierungen und überraschenderweise auch die Gesellschaften selbst haben nichts dafür getan, ihren wichtigen Beitrag zur Entwicklung moderner Industriegesellschaften glaubwürdig darzustellen.

Ob in Europa oder Nordamerika: Ölgesellschften haben ein Negativimage, das mit lobbyistischen Aktivitäten verknüpft wird, für eine bevorzugte Besteuerung etwa und gegen Gesetze, die einen strikteren Umweltschutz gewährleisten würden. Hinzu kommen periodisch auftretende, schlecht gemanagte Krisen, wie die Umweltverschmutzung durch die Havarie der Exxon-Valdez 1989 oder Shells Verständnislosigkeit bezüglich der Entsorgung der Brent-Spar-Bohrinsel 1995. Im Laufe der letzten zehn Jahre ist die Sensibilität der Öffentlichkeit gegenüber Umweltschäden aber immer größer geworden. Die Öl- und Gasindustrie wird wachsam beäugt, und das von mehr exakt darauf spezialisierten Gruppen als je zuvor.

Merkwürdig passives Krisenmanagement

Die Tatsache, daß das Verbrennen fossiler Brennstoffe langfristig Schäden auf diesem Planeten hinterläßt, hat radikale und moderate Kritiker nach dem „wahren“ Preis für Öl fragen lassen. Sind es vielleicht doch mehr als die 18 bis 22 US-Dollar, die in den letzten zehn Jahren pro Barrel (=160 Liter) für Rohöl gezahlt worden sind? Müssen nicht die Kosten der Beseitigung von Schäden im gesellschaftlichen, politischen und Umweltbereich mit eingerechnet werden?

Angesichts dieser zunehmenden Wachsamkeit haben sich einige Gesellschaften, darunter vor allem British Petroleum (BP) und Royal Dutch Shell – nach den heftigen Verrissen wegen der Brent- Spar-Insel, der Exekution von Ken Saro-Wiwa und den neuen Tiefwasserbohrungen nordwestlich der Shetlands –, mit ihren Kritikern zusammengesetzt. Beide Gesellschaften haben kürzlich Strategien bekanntgegeben, mit denen sie bessere politische und ökologische Verträglichkeit erreichen wollen. Das hat zwar kurzfristig zu einigem Schulterklopfen geführt, wird ihre radikaleren Kritiker jedoch nicht beeindrucken, für die die Ölindustrie ebenso wie die Tabakindustrie die Inkarnation eines Übels ist, das nur durch den totalen Verzicht moderner Gesellschaften auf den Gebrauch fossiler Brennstoffe abgestellt werden kann.

Dennoch ist die Reaktion der Ölindustrie auf die zunehmende Wachsamkeit der Öffentlichkeit eher gedämpft. Es ist geradezu erstaunlich, wie wenig sie sich um ein positives Image bemüht hat – zumal das eigentlich nicht so schwer sein dürfte. Man müßte nur die angenehmen und eindeutig produktiven Anteile herausstellen, die die Produkte der Ölindustrie im Alltagsleben der Menschen haben. In der Landwirtschaft, der Schwer-, Bau- und Computerindustrie oder im Transportwesen verhalten sich die Industriekapitäne durchaus nicht so zögerlich, den Anteil ihrer eigenen wirtschaftlichen Prosperität am sozialen und ökonomischen Wohlergehen der Gesellschaft zu betonen. Nur die Ölindustrie bleibt angesichts massiver Angriffe merkwürdig passiv.

Viele Milliarden Liter Öl werden alljährlich sicher gefördert und transportiert, aber der Ruf einer Gesellschaft kann durch einen einzigen Unfall über Nacht zerstört werden. Das ist in der Luftfahrtindustrie nicht der Fall, deren Sicherheitsstandards und Unfallkosten etwa vergleichbar sind.

Viele der Gründe dafür, warum es die Ölindustrie so schwer hat, sich für sich selbst starkzumachen, haben mit ihrer Struktur zu tun. Denn obgleich sie eine der globalsten Industrien überhaupt ist, bleibt sie doch selbstbezogen und engstirnig, insbesondere in den USA; dort hat die Tradition einer starken Anti-Trust-Gesetzgebung den Gesellschaften ihren Mangel an Kommunikation miteinander zur zweiten Natur gemacht: Sie haben Angst, jede Annäherung könnte als Absprache und Preismanipulation interpretiert werden. Insofern sind im Falle unwillkommener Schlagzeilen durch Tankerhavarien oder Unfälle auf Bohrinseln Solidaritätskundgebungen anderer Gesellschaften mit der betroffenen eher die Ausnahme. Es gibt zwar übergreifende Verbände, aber deren Hauptzweck ist eher, die Lobbyarbeit gegen ungünstige Gesetzesvorlagen voranzubringen, als gemeinsame Stellungnahmen für den gesamten Industriezweig abzugeben. So kommt es, daß nur wenige der Direktoren die Interessen ihrer eigenen Gesellschaft mit denen der Gesamtindustrie identifizieren oder bei Problemen ihrer Konkurrenten die negativen Konsequenzen für sich selbst sehen.

Dieser Individualismus ist gleichzeitig verbunden mit einer bemerkenswerten Aversion gegenüber jeder Publicity in Bezug auf ihre Vermögenswerte, die sich in den 60ern mit der Ausbreitung des Ressourcen-Nationalismus noch verstärkte. In den folgenden 20 Jahren wurden zwei Drittel aller Ölvorkommen außerhalb der USA und der UdSSR verstaatlicht, was die Ölgesellschaften dazu zwang, sich nach neuen, bisher unausgebeuteten Vorkommen in den immer weniger werdenden Regionen der Welt umzusehen, die ihren Investitionen gegenüber noch offen waren. In diesen Winkeln entdeckten sie, was ein Experte einen „überholten Handel“ nannte: ein faustischer Pakt, in dem, je mehr zur Entdeckung von Ölvorkommen investiert wurde, den gastgebenden Regierungen desto mehr Macht darüber zufällt. Ein Regime würde die Investitionen zunächst begrüßen, um sie danach prompt als Geisel zu nehmen.

Die Ölgesellschaften waren natürlich nicht nur Opfer, aber viele ihrer Vorteile wurden ihnen immer schnell als Nachteile ausgelegt. Der Jahresumsatz einer international operierenden Gesellschaft ist in der Regel größer als das Bruttosozialprodukt des Entwicklungslandes, in dem sie arbeitet. Das allein macht sie schon potentiell verdächtig, vor allem, wenn geargwöhnt wird, sie sei nur ein verlängerter Arm ihrer Regierung.

Auch ihre Rolle als einer der größten Arbeitgeber vor Ort wurde einer Gesellschaft gewöhnlich zum Nachteil. Zwar gehörte sie eher zu den pünktlicheren Steuerzahlern, und ihre Angestellten erhielten in der Regel höhere Löhne und Gehälter als die anderer Arbeitgeber – wie auch die Beamten, die ihre Aktivitäten kontrollierten. Das schien Loyalitäten vom Staat auf die Ölgesellschaft zu verlagern, was sie als Trojanisches Pferd erscheinen ließ, das die Souveränität des Landes untergrub, in dem sie investiert hatte.

Oft schwieriger politischer Spagat

Ein paar Trumpfkarten hatte auch die Ölindustrie immer schon. Sie besaß, was gebraucht wurde: Technologie, Arbeitskraft, Professionalität und vor allem ausländisches Kapital. Illegale Zahlungen waren zweifellos Teil des Geschäfts, aber eben auch ganz legale Gelder, die man als „guter Bürger“ ins Land brachte. Gesellschaften bauten Straßen und Krankenhäuser, sie bildeten aus, subventionierten die Landwirtschaft, investierten in Zulieferindustrien und bauten Sport- und Kultureinrichtungen. Aber sie durften ihren Beitrag zum gestiegenen Lebensstandard ihrer Gastländer nicht allzusehr betonen, da sie sonst zu eng mit dem jeweiligen Regime identifiziert worden wären. Selbst dort, wo sich Ölgesellschaften nicht an korrupten Praktiken beteiligten, waren sie doch oft genug Nutznießer und Hilfsagenten korrupter Regimes.

Dies zeigte sich in Südafrika, Nigeria und den Andenstaaten, wo Ethnizität ein Schlüsselelement der Politik war und ist, und wo auswärtige Kritiker lautstark den Abzug aller Investitionen verlangten. Das südafrikanische Dilemma war am Ende am einfachsten zu lösen, weil die Apartheid von allen Ländern, mit denen die Ölgesellschaften sonst Geschäfte machten, als einziges Übel anerkannt war. Zudem war es keines der wichtigeren ölproduzierenden Länder. Und obwohl die Ölgesellschaften darauf verweisen konnten, daß ihre Rolle als nichtdiskriminierende Arbeitgeber ein positiver Beitrag war, erkannten sie, daß ihre Position in Südafrika ebenso unhaltbar war wie die ihrer Konkurrenten.

Sehr viel komplexer ist die Frage der Rechte indigener Völker auf ihren Anteil am Ölprofit und die damit zusammenhängende Frage der Regenwaldzerstörung. Shells Debakel bezüglich der Ansprüche der Ogoni in Nigeria und ähnliche Schwierigkeiten, denen sich Texaco, YPF, Conoco, Occidental und BP in Kolumbien, Ecuador und Peru ausgesetzt sehen, verdanken sich alle derselben mißlichen Situation, die eine gute Illustrierung der These vom „überholten Handel“ ist. Indigene Völker und moderne Staaten sind wesentlich – manchmal gewaltsam – anderer Auffassung über die Definition von Grenzen, Rechten und nationaler Geschichte. Unternehmen müssen jedoch mit Regierungen verhandeln, auch wenn deren Herrschaft über das in Frage stehende Land rein nominell ist.

Die Frage der Souveränität hat für Unternehmen eine geringere Bedeutung als die Sicherheitsgarantien für die Investitionen ihrer Aktionäre. Das ist keine ethische, sondern – in einer mit erheblichen Risiken operierenden Geschäftswelt – eine pragmatische Entscheidung. Je größer die Investition wird – Bohrtürme, Pipelines, Raffinerien und Verschiffungshäfen –, desto empfindlicher wird sie gegenüber jeglicher Störung, und desto mehr sind Investoren auf die Sicherheitsgarantien von Regierungen mit fragwürdiger Reputation angewiesen. Auch der einfache Akt des Baus einer Versorgungsstraße zur Bohrstelle im Regenwald führt zu einem gewissen Kontrollverlust nicht nur für die Ölgesellschaft – an die nationale oder regionale Regierung –, sondern auch für die indigene Bevölkerung – an eine ganze Armee von Landlosen, die gleich hinter den Bulldozern auf ihre Chance wartet. Die Aktivitäten von Ölgesellschaften erhöhen die ethnischen oder sozialen Spannungen zwischen Landeigentümern und Landlosen, wenn sie die eine Gruppe auf Kosten der anderen stützen; aber es wäre unfair zu behaupten, sie seien ursächlich verantwortlich für diese Spannungen.

Die Zerstörung des Regenwaldes ist nur der erste Schritt einer Kausalkette zwischen Brennstoffgewinnung und Klimaveränderung, die den Ölgesellschaften auf Schritt und Tritt folgt: vom zunehmend naturzerstörten Amazonasgebiet über die in Europa eingeführten CO2-Steuern auf Ölprodukte bis zur immer extremer werdenden Aufteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer. Die Klimakonferenz in Kioto im Dezember diesen Jahres wird Lösungen für diese Fragen zu finden versuchen, aber ein Konsens ist nicht absehbar.

Auch die Ölproduzenten befinden sich im Konflikt, besonders die Opec-Länder, die in den „grünen Steuern“ Europas (EU) und Japans nichts weiter als einen Versuch sehen, Extrakosten auf ihr Hauptexportgut zu häufen. Derweil können sich die USA, die EU und Japan nicht darüber einigen, was „angemessene“ Ziele für die globale Reduktion von Kohlenstoffemissionen sind und was die angemessenen Mechanismen dafür: Steuern oder Gesetze. In dieser politischen Debatte reagieren die Ölgesellschaften wieder instinktiv mit Beeinflussung der Regierungen, d.h., sie versuchen, in jede Richtung zu bremsen – es sei denn, die Konferenz verabschiedet global geltende Vorschriften, die ihren ökonomischen Interessen entgegenkommen.

Lediglich BP und Shell, die in den letzten Jahren am meisten unter einer schlechten Presse zu leiden hatten, haben politische Richtlinien ausgearbeitet, die sich positiv mit der Frage des Umweltschutzes auseinandersetzen. Aber die wirklich entscheidende Frage ist natürlich, ob die Welt in der Lage ist, sich von ihrer totalen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wegzuentwickeln.

Die Nähe der Interessen von Regierungen und Ölindustrie ist seit Ende des Kalten Krieges einer zunehmenden Spannung gewichen, besonders in den USA, wo das Öl seit dem arabischen Embargo von 1973/74 erstmals als Instrument der Außenpolitik wieder auf der Bildfläche erschienen ist. Während der Bedrohung durch die Sowjetunion sah die westliche Weisheit den Handel als politisches Instrument generell eher als eine zusätzliche Quelle internationaler Konflikte. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat die internationale Gemeinschaft wieder zunehmend das Öl als Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen eingesetzt, besonders in Südafrika, Libyen, im Irak und Iran. Immerhin gibt es eine lebhafte Debatte über die Effektivität solcher Sanktionspolitik, nicht aber über ihre Legitimität im Licht internationaler Gesetze.

Ruf als Schlüssel- industrie verstärken

Das ist für US-amerikanische Ölgesellschaften ebenso beunruhigend wie für ihre ausländischen Vertragspartner, die zur Zielscheibe von Folgeboykotts werden, besonders im Iran und in Libyen – nicht nur wegen des Konkurrenzvorsprungs, den das für ihre französischen, russischen und asiatischen Konkurrenten bedeutet. Während die US-amerikanischen Unternehmen dazu verleitet werden könnten, ihre Umweltschutzhaltung aufzugeben, könnte sich ihre Position noch verhärten, wenn sie gezwungen würden, ihre Energiepolitik nach allen möglichen außenpolitischen Überlegungen auszurichten – von Menschenrechtsverletzungen über Drogenhandel, Terrorismusexport bis zur Entwicklung von Atomwaffen.

Als gute Bürger müssen sie sich an die Gesetze halten, obwohl sie dadurch ökonomische Einbußen erleiden. Der Protest gegen solche Gesetzesvorschriften würde einerseits das öffentliche Vorurteil bestätigen, die Ölgesellschaften seien unmoralisch und habgierig, während andererseits in ihren Gastländern der Verzicht auf diesen Protest als deutliches Eingeständnis gesehen würde, eben doch nichts anderes zu sein als ein Instrument US-amerikanischer Außenpolitik.

Öl ist ein schmutziger Stoff. Trotz gründlichster Kontrollen kann er leicht sowohl die physische als auch die politische Umwelt verschmutzen. Aber selbst wenn die Ölindustrie inzwischen begriffen hat, daß die Einhaltung strikter Sicherheitsbestimmungen in ihrem eigenen Interesse liegt, bleibt die Aversion gegen jede Art von Gesetzesvorschriften ihr zweite Natur. Sie hat sich gegen die Entsorgung von Giftmüll gewehrt, gegen die Kampagnen für niedrigere Emissionswerte und alternative Brennstoffe, gegen doppelwandige Tanker und zur Zeit gegen die Form der Entsorgung überflüssiger Bohrinseln. Statt sich als aktiver Partner von Regierungen zu verstehen, war sie immer eine ihrer erbittertsten Kritikerinnen.

Es gibt ein paar wenige Ausnahmen: BP, Arco in den USA und Phillips Petroleum, deren Werbekampagnen sie als Meister strikter Umweltstandards positionieren. Aber die Industrie insgesamt hat sich nur unglaublich langsam mit den veränderten Prioritäten ihrer wichtigsten Abnehmer, den Konsumenten des Westens, anfreunden können. In den letzten zehn Jahren, die von Betriebsverkleinerungen, aggressivem Konkurrenzkampf und expansiven Sparmaßnahmen gekennzeichnet waren, hat sich die Industrie deutlich mehr um kurzfristige Profite und ihre Attraktivität für Investoren gesorgt als um die gerechtfertigte Besorgnis der Menschen.

Für die drakonischen Maßnahmen der 80er und 90er Jahre hat es gute Gründe gegeben. Beispiellose Einnahmen hatten zu einer Expansion von Personal und Investitionen weit über die eigentliche Kompetenz der Industrie hinaus geführt. Die Rückkehr zu Rekordprofiten in den letzten Jahren sollte den führenden Managern genügend Selbstsicherheit geben, sich um das Image ihrer Industrie in der Öffentlichkeit zu kümmern. Sie sollten diese Gelegenheit ergreifen und ihren Ruf als Schlüsselindustrie für jegliches wirtschaftliches Wachstum erneuern. Und sie sollten ihre Pionierrolle in der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien betonen, die mit den Zielen der Öffentlichkeit nicht nur kompatibel sind, sondern auch den Status der Unternehmen als gute Bürger und Arbeitgeber nicht nur nicht behindern, sondern im Gegenteil bekräftigen.

Die Ölgesellschaften haben durchaus eine spannende Geschichte zu erzählen. Aber sie müssen ihre über Jahrzehnte eingefahrenen alten Wege verlassen, die ihnen das Image des Neinsagers gegenüber Regierung und Konsumenten beschert haben. Wenn sie diesen Schritt nicht tun, wird sich die öffentliche Empörung über ihre arroganten Methoden nur verstärken, was leicht sowohl Preiserhöhungen als auch immer mehr gesetzliche Eingriffe nach sich ziehen könnte. Dies könnte schon durch eine einzige anhaltende Störung im Persischen Golf oder in Nordafrika passieren. Spätestens dann müßte die Ölindustrie mit gravierenden Folgen für ihr Laissez-faire-Regime rechnen, in dem sie sich jahrzehntelang eingerichtet hat.

Edward L. Morse ist Verleger der in New York ansässigen Energy-Intelligence Group