piwik no script img

Das PortraitEin Spanier auf verlorenem Posten

■ Carlos Westendorp

„Wenn ich eines Tages gehe“, sagte Carlos Westendorp bei seinem Amtsantritt als Chefkoordinator für die internationale Wiederaufbauhilfe Bosniens zuversichtlich, „würde ich Bosnien gern als ein Land zurücklassen, das auf einem guten Wege ist, sich in die europäischen Institutionen einzufügen.“

Doch gerade einen Monat im Amt, droht dem Spanier schon ein ähnliches Schicksal wie seinem Vorgänger, dem schwedischen Ex-Ministerpräsidenten Carl Bildt. Der warf im Frühjahr verbittert das Handtuch, als er letztlich feststellen mußte, daß die führenden Politiker der drei Kriegsparteien immer noch auf einen Waffengang setzen und nicht bereit waren, sich für eine Gesellschaft einzusetzen, in der die nationale Abstammung keine Rolle spielt.

Andererseits wollen auch die EU und die Nato Bosnien sich selbst überlassen und so bald wie möglich aus dem Balkan-Wirrwarr aussteigen – spätestens im kommenden Frühjahr. Bis zu diesem Zeitpunkt, so dachte der erfahrene Diplomat Westendorp, sollten die mutmaßlichen Kriegsverbrecher an das UN- Tribunal in Den Haag überstellt und Hunderttausende Vertriebene wieder in ihre angestammte Heimat zurückgeführt werden.

Die gewaltsame Vertreibung muslimischer Heimkehrer aus dem kroatisch verwalteten Jajce vom vergangenen Wochenende hat jedoch gezeigt, wie weit entfernt Westendorp noch von seinen Zielen ist. Für das wechselvolle Balkanklima ist der Nachfahre eines aus Holland nach Spanien ausgewanderten Tee-Kaufmanns anscheinend nicht geeignet.

Westendorp, der in Madrid geboren wurde und die juristische Fakultät absolvierte, verdankt seine Ernennung zum Chefkoordinator möglicherweise auch nur dem Kalkül der Präsidenten Kroatiens, Serbiens und Bosniens, die sich einen schwachen Balkanmakler wünschten. Denn im Gegensatz zu Bildt war der Spanier vorher nie bei der Befriedung des Balkans aktiv.

Als Westendorp 1995 für ein halbes Jahr als Außenminister Spaniens fungierte, ging es ihm vor allem um die vertiefte Integration seines Landes in die EU. Nach der Wahlniederlage der Sozialisten wurde er zur UNO nach New York abgeschoben. Vielleicht sehnt sich der 60jährige wieder nach seinem bequemen Posten als Spaniens UNO-Botschafter zurück. In New York lebt immer noch seine viel jüngere Frau mit dem zweijährigen Sohn Carlos. Karl Gersuny

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen