Akten des Geheimdienstes sollen auf den Tisch

■ Bulgarien streitet, wie die Dossiers der Staatssicherheit geöffnet werden sollen

Berlin (taz) – Mehr als sieben Jahre nach dem Sturz der Diktatur unternimmt nun auch Bulgarien einen ersten ernsthaften Versuch, sich mit seiner kommunistischen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Staatspräsident Petar Stojanow billigte am Montag per Erlaß ein Gesetz, wonach die Unterlagen der Geheimdienste geöffnet werden sollen. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes löst die Vereinigung der Demokratischen Kräfte (ODS) unter Premierminister Iwan Kostow, die bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vom vergangenen April die Mehrheit der Mandate gewonnen hatte, eins ihrer Wahlversprechen ein.

Das Gesetz sieht vor, daß innerhalb eines Monats nach seiner Veröffentlichung im Regierungsanzeiger die Dossiers des Staatspräsidenten, aller Kabinettsminister und Parlamentarier sowie der Hohen Richter geöffnet werden sollen. Wird jemand aus diesem Personenkreis als Mitarbeiter der Staatssicherheit enttarnt, soll der Name des Betreffenden im Parlament verlesen werden. Der mögliche Rücktritt oder die Entlassung vom jeweiligen Staatsamt ist dem Betroffenen selbst oder seinem Vorgesetzten überlassen. Wer seine frühere Mitarbeit bei der Staatssicherheit dagegen selbst zugibt, soll von der Bloßstellung im Parlament verschont werden. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes sollen alle Bulgaren ihre Akten einsehen können.

Das Gesetz war von der ODS- Regierung im Parlament eingebracht worden. Die oppositionellen Sozialisten verließen bei der Abstimmung den Saal – eine Blockade mit Methode. Schon mehrmals hatten die Exkommunisten, mit kurzen Unterbrechungen seit 1989 an der Macht und durch Demonstrationen im Februar diesen Jahres zum Rücktritt gezwungen, solche Gesetzentwürfe zum Scheitern gebracht.

Bereits im März 1991 wurde bekannt, daß die Dossiers über ehemalige Spitzenfunktionäre der Kommunistischen Partei, die der ehemalige Staatschef Todor Schiwkow hatte anlegen lassen, verschwunden waren. Noch im gleichen Monat wurde eine parlamentarische Arbeitsgruppe eingesetzt, die eine Überprüfung von Parlamentariern auf Kontakte zum Geheimdienst vorbereiten und Vorschläge zum Umgang mit den Akten erarbeiten sollte. Zwar legte die Arbeitsgruppe insgesamt acht Projekte vor, ein Gesetz wurde jedoch nicht verabschiedet.

Wiederholte Vorstöße der Union der Demokratischen Kräfte kamen ebensowenig zum Tragen wie ein Vorschlag des ehemaligen Justizministers Petar Kornaschew. Er war für eine generelle Öffnung der Akten eingetreten. Das Projekt wurde abgeschmettert. Mit den Stimmen der Sozialisten. Barbara Oertel