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Dem Tiger sträubt sich das Haar

Der Boom im „Tigerstaat“ Thailand ist vorbei, das Land hat sich mit den Schulden übernommen. Importprodukte werden unerschwinglich  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

Blusen für acht Mark, Jeans aus zweiter Hand – auch in schlechen Zeiten „können Sie immer noch schick aussehen!“ muntert die Bangkok Post ihre LeserInnen auf. „Und vergessen Sie nicht, Sie können immer noch weiter herunterhandeln!“ Lebenshilfe in Zeiten der Wirtschaftskrise, denn die goldenen Zeiten des Wirtschaftsbooms mit jährlich über acht Prozent Wachstum sind vorbei.

Täglich wird die Bevölkerung inzwischen aufgefordert, ihr Geld zusammenzuhalten. Die einst blühende Exportindustrie steckt in der Flaute. Immer mehr vor allem kleinere Firmen müssen dichtmachen. Tausende haben in den letzten Wochen ihre Arbeit verloren. Seit Anfang Juli ist zudem die thailändische Währung Baht heftig gefallen – um rund 25 Prozent gegenüber dem US-Dollar. Folge: Wer bei ausländischen Banken geborgt hat, steht weitaus tiefer in der Kreide als vorausgesehen. Thailändische Fabriken, die im Ausland Zubehör für ihre Produktion kaufen, zahlen jetzt ein Viertel mehr als zuvor. Japanische Fernseher und amerikanische Turnschuhe sind ebenfalls teurer geworden. Da soll in diesen Tagen eine Ausstellung lokaler Waren die zweifelnde Mittelschicht überzeugen, daß es auch möglich ist, sich einheimisch zu versorgen. „Buy Thai!“ – „Kauft thailändische Produkte“ heißt die Devise. Regierungspolitiker lassen sich in ihrem Mercedes zu der Ausstellung fahren und lächeln vor Pressefotografen das garantiert einheimische Obst an.

Doch die Ermahnungen kommen zu spät: Thailand hat Schulden von 90 Milliarden Dollar im Ausland, über zwei Drittel davon sind Kredite privater Unternehmen. Etwa 40 Milliarden US-Dollar Kredittilgung werden schon bis zum Jahresende fällig – aber die Zentralbank verfügt nur über Devisenreserven von rund 33 Milliarden Dollar.

Thailändische Ökonomen und die Presse schieben die Schuld für die Misere überwiegend der eigenen Regierung zu. Premier Chavalith Yongchaiyudh und sein Vorgänger Banharn Silapa-archa hätten alle Warnungen in den Wind geschlagen: Als die Exporte absackten und weniger Dollars als erwartet ins Land kamen, kürzten sie nicht etwa die öffentlichen Ausgaben, sondern stürzten das Land großzügig in immer neuere Schulden. „Wir haben unsere Nation in den letzten 40 bis 50 Jahren aufgebaut – aber in zweieinhalb Jahren, unter zwei Regierungen, ist die ganze Mühe zunichte gemacht worden“, sagte am Montag Expremier Anand Panyarachun. Die thailändische Zentralbank war seit langem unter Beschuß gekommen, obwohl es viele lokale Finanzinstitute waren, die hohe Kredite vor allem an den Immobiliensektor vergaben – ohne genügend Sicherheiten. Der Internationale Währungsfonds (IWF), der die Regierung nun mit Notkrediten retten soll, hat im Gegenzug unter anderem verlangt, die Unterstützung der maroden Banken einzustellen. Daher beschloß die Regierung gestern, mehr als die Hälfte aller Banken und Finanzinstitute des Landes vorläufig zu schließen, insgesamt sind nun 58 suspendiert.

Mit Besorgnis registrierten viele ThailänderInnen in den letzten Tagen, daß prominente Militärs düstere Andeutungen machten. Thailand hat in den vergangenen Jahrzehnten nur kurze Perioden ziviler Herrschaft erlebt – zuletzt putschte das Militär 1991. General Sunthorn Kogsompong, der damals den Staatsstreich organisierte, nutzte seine Geburtstagsfeier am vergangenen Freitag für eine neue Warnung: „Wenn der Premierminister nicht Nai Jiew (Spitzname von General Chavalith) wäre, hätte das Militär die Regierung mit Gewalt gestürzt“, sagte Sunthorn, der aus dem gleichen Jahrgang der Militärakademie kommt wie Premier Chavalith. So heftig waren die Gerüchte, daß Armeechef Chettha in den letzten Tagen in die Öffentlichkeit ging, um die Bevölkerung und die Wirtschaft zu beruhigen: „Wir planen keinen Putsch.“ Das Militär hat von einer neuen Wirtschaftspolitik unter IWF-Kontrolle einiges zu befürchten: Es hat die Staatskasse in den letzten Jahren immer wieder schwer belastet.

Erst gestern traf der erste Flugzeugträger Thailands aus Spanien ein – 2,5 Milliarden Baht (145 Millionen Mark) soll er gekostet haben.

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