Mein erstes Mal

■ Heute: Till Briegleb, ehemaliger Kulturredakteur der "taz hamburg", heute Kulturredakteur der "Woche", über die schönste Ecke im Baskenland, über ein kinountaugliches "Tak, kurz: über seinen ersten Kugelhagel

Wenn ein schweißnasser Schnauzbart mit kugelsicherer Weste vor einem Autofenster steht und verzweifelt „Basso, Basso“ruft, ist es ganz gut, eine Spanierin dabei zu haben. Denn dann befindest du dich im Baskenland und mußt lernen, daß der schönste Platz in dieser Ecke der Welt auf der Fußmatte ist. Es gestaltet sich nämlich durchaus ein wenig schwierig, in der Panik, die einen befällt, wenn man einem Polizisten in die glasigen Augen schaut und feststellt, daß er Todesangst hat, sein musikalisches Fachwissen hervorzukramen und zu kombinieren, daß der Baß bei der Musik ja auch ganz unten ist und der Mann deswegen wohl „Runter, runter!“meint.

Zum Glück hatten wir, eine gemeine Hamburger Rock'n'Roll-Kapelle auf Spanientour, eine Einheimische unter uns, die mit der angebrachten Gelassenheit erklären konnte, daß der Schupo, dessen Desperado-Kommando mit der tollen Idee, ein ETA-Kommando an einer öffentlichen Kassenstation zu stellen, gerade unser Leben riskierte, dieses jetzt gerne wieder retten wollte. Also klemmten wir uns zwischen Sitze und Armaturen und lauschten dem hämischen „Tak, Tak“, mit dem sich die Polizisten und die ETA-Vertreter, die kurz vorher noch auf der Ladefläche eines Kleinlasters vor uns her über die spanischen Mautstraßen gezuckelt waren, gegenseitig zu töten versuchten. Wobei man selbst in Kauerhaltung und im Gewahrsein, daß man sich gleich vor Angst in die Hose macht, eine gewisse Enttäuschung darüber nicht verhehlen kann, daß so eine richtig lebensgefährliche Schießerei nicht mehr als „Tak, Tak“macht.

Aber was so ein richtiger baskischer Mann und ETA-Terrorist ist, der hat ja auch noch seine Handgranaten dabei. Und während das „Tak, Tak“weitermeckerte und diverse Stimmen Unverständliches wild durcheinander brüllten, während du wirklich nicht mehr weißt, wie du dich eigentlich zu fühlen hast, außer daß du schlagartig eine ganz körperliche Vorstellung davon bekommst, wie leicht so ein Mensch kaputt gehen kann, erfreute das kleine Terroristen-Kommando deine kinogerechten Erwartungen mit einem Knall. Das war dann noch ein wenig sättigender, als ich es von der Nacht in einem italienischen Maisfeld kannte, wo ich morgens davon geweckt wurde, daß man die Ratten abschoß, die über meinem Kopf an den Früchten nagten. So 'ne richtig explodierende Handgranate, dazu kann man sich doch beglückwünschen.

Auch einen zweiten Knall soll es noch gegeben haben, mit dem sich einer der Herren dann selber in den Zellenzerstäuber beförderte, aber da durften wir dann schon weiterfahren. Derselbe Schnauzbart mit derselben Angst erlaubte uns, langsam aus der Station zu rollen, obwohl wir noch gar nicht bezahlt hatten. Das so gesparte Geld investierten wir sofort in viele Dosen Bier an der nächsten Tankstelle. Daß das baskische Bier dann nach Blei schmeckte – man hätte es ja fast erwarten können –, gehört wohl zur nationalistischen Späterziehung für angehende Faustwaffenfreunde, aber im Hinblick auf ein Wiedersehen mit so netten Menschen wie uns sollte man in Euskadi die nächste Generation von Terroristen und Polizisten vielleicht in der bayerischen Bieruniversität Weihenstephan ausbilden. Denn, das lehrt uns doch dieser deutsche Freistaat, die wahre gesellschaftliche Autonomie kommt durch den Zapfhahn. In diesem Sinne, Prost Ballermänner.

Till Briegleb