Sie bedauern nur, bereuen aber nicht

■ Prozeßauftakt gegen vier Juristen, die unter anderem für die letzten Hinrichtungen in der DDR mitverantwortlich waren

Berlin (taz) – Alt sind sie. Männer mit ernsten Gesichtern. Alle vier tragen die gleichen aschgrauen Anzüge mit blaßblauen Hemden darunter. Sie sitzen auf der Anklagebank neben ihren Anwälten und wirken so unbeteiligt, als ginge es nicht um sie. Gestern begann vor der 23. Strafkammer des Berliner Landgerichts der Prozeß gegen die vier früheren DDR-Juristen.

Fritz Nagel, Karl-Heinz Knoche und Hans-Joachim Arndt waren Richter im Ersten Militärstrafsenat des Obersten Gerichts der DDR, Heinz Kadgien war Militärstaatsanwalt. Sie sollen vor 20 Jahren „gemeinschaftlich gesetzeswidrig entschieden haben“, heißt es in der Anklage.

Fritz Nagel, 68, und Karl-Heinz Knoche, 73, sind des Totschlags angeklagt. Der Staatsanwalt wirft ihnen „schwere Verstöße gegen die Menschenrechte“ vor. Sie haben in den Jahren 1979 und 1981 die Stasioffiziere Gert Trebeljahr und Werner Teske zum Tode verurteilt. Beiden wurden Spionage und Fahnenflucht vorgeworfen, obwohl, so der Staatsanwalt, es keinen Verrat von Geheimnissen gegeben habe. Trebeljahr und Teske hätten zwar Geheimpapiere entwendet, aber zur geplanten Flucht aus der DDR sei es nicht gekommen. Gert Trebeljahr wurde im Dezember 1979, Werner Teske im Juni 1981 im Leipziger Gefängnis getötet. Es waren die letzten vollstreckten Todesurteile der DDR.

Heinz Kadgien, 67, war als Militärstaatsanwalt an den Entscheidungen beteiligt. Ihm wird Anstiftung vorgeworfen. Hans-Joachim Arndt, 67, wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, zusammen mit den anderen Berufungen von verurteilten Spionen als „unbegründet“ verworfen zu haben. Auf die Anklagepunkte wollen die vier nicht eingehen. Statt dessen geben drei von ihnen Erklärungen ab. Nur Arndt schweigt.

Ein leises Stöhnen geht durch die spärlich besetzten Reihen der Zuschauer, als Fritz Nagel die Todesurteile als „gesellschaftliche Auswirkungen des Kalten Krieges“ bezeichnet. Er spricht sein „aufrichtiges Bedauern gegenüber allen Opfern“ aus. Für ihn sei das Urteil rechtmäßig gewesen, weil es ein Zweidrittelvotum im Richterkollegium gegeben habe. Wie dieser Beschluß zustande kam, will er nicht sagen. Nagel beruft sich auf seine Schweigepflicht aus den Zeiten als DDR-Richter.

Auch Heinz Kadgien verliest eine lange Erklärung, in der er stetig betont, daß für ihn die Gesetze der DDR verbindlich gewesen waren – auch die Todesstrafe. Außerdem habe die bundesdeutsche Justiz kein Recht, ehemalige DDR- Bürger zu verfolgen. Der Vorsitzende Richter Hans Boß läßt sich keine Beteiligung anmerken. Das Verfahren ist bis Ende Oktober terminiert. Nicol Ljubic