Steuerzahlender Elb-Radgigant

■ In Hamburg gemeldet, am Schwarzwald zuhause: Wem gehört Jan Ullrich? Nur Bürgermeister Henning Voscherau blickt durch

Ganz Deutschland liegt im Jan-Ullrich-Fieber. Nun darf sich das Hamburger Publikum erstmals nach dessen Tour-Triumph im Lichte des Velo-Sonnenkönigs wärmen. Aber wäre die Freude nicht noch größer, wenn alle Leute wüßten, daß der Nationalheld echter Hamburger Bürger ist? Immer wieder wird der Radgigant mit einem Schwarzwald-Flecken namens Merdingen in Verbindung gebracht oder als Rostocker Urgestein präsentiert. Dabei ist Jan Ullrich mit erstem Wohnsitz in Hummelsbüttel gemeldet und zahlt hier auch seine Steuern.

„Hamburg ist stolz auf Sie“, hatte Henning Voscherau dem Träger des Gelben Trikots schon am 17. Juli nach St. Etienne telegraphiert. Der Erste Bürgermeister wird es sich auch nicht nehmen lassen, den berühmten Sohn der Stadt heute um 19 Uhr mit einem „Kleinem Senatsempfang“zu ehren.

Ein paar warme Worte im Stehen – fällt diese Begrüßung nicht etwas mickrig aus? Wieso liegt kein roter Teppich quer durch die Stadt? Warum kein Orden? Trägt man es dem Lokalmatadoren noch nach, daß er auf Hamburgs Straßen seinen Opel versägte und deshalb – so das Stadtmagazin Prinz – den Führerschein gleich zweimal verlor? Oder ist es den Offiziellen vielleicht peinlich, daß der Tour-Held zwar hier gemeldet ist, sich aber niemals in der Susebekstraße blicken läßt?

Immerhin schickt Ullrich regelmäßig Geld für seinen alten Verein, die Radsport-Gemeinschaft Hamburg, für die er von 1992 bis 1995 fuhr. Der Tour-Held hält seinem Club auch jetzt noch die Treue. „Aus Anhänglichkeit“, wie der Vorsitzende und Ullrich-Manager Wolfgang Strohband stolz verkündet. Der bodenständige Radler komme sogar noch zu den Vereinsfeiern.

Auch die Journalisten sind verwirrt. Wieso Ullrich während der Tour kein einziges Mal als Hamburger vorgestellt worden wäre, wurde Cyclassics-Rennleiter Rudi Altig um Antwort ersucht. „Fragt ihn doch selbst, ob er Hamburger ist“, war die Radsportlegende ratlos. Auch Voscherau dürfte ahnen, wenn er am Sonntag den Startschuß für das Profirennen gibt, daß Jan Ullrich („Ich habe große Lust, hier zu fahren“) der Stadt längst „ade“gesagt hat. Die Reize einer Bundeswehrangestellten haben den Hamburger in den Süden getrieben. Merdingen ist nun in aller Munde. Bleibt für Hamburg noch Sandra Völker. Johannes Eltzschig