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Joghurt und Salat statt Süßigkeiten

■ Saisonauftakt in Englands Premier League: Neue Stars, neue Ernährung

Derby (taz) – Im Klubheim von Derby County stehen ein Korb mit Obst sowie eine Palette Joghurt auf dem Büffet. Dazu reicht die Köchin den Fußballspielern zur Mittagspause Teller voller Nudeln und Salat. „Süßigkeiten geben wir ihnen nicht mehr“, sagt Jim Smith (56), der Manager des englischen Premier-League-Vereins, und strahlt. „Die Snickers, Mars und Kitkats kriege jetzt alle ich.“

Selbst vom Speiseplan sind die Veränderungen abzulesen, die den englischen Fußball ergriffen haben. In einem beispiellosen Tempo hat sich die Premier League von einer isolierten Insel-Liga, in der noch vor fünf Jahren Schokolade, Chips und Bier als Grundnahrungsmittel galten, zu einer führenden internationalen Drehscheibe entwickelt. Wenn am morgigen Samstag die neue Saison beginnt, werden die Superlative des vorherigen Spieljahres noch einmal gesteigert werden. Noch mehr Geld (allein 585 Millionen Mark werden pro Saison durch Fernsehübertragungen eingespielt, dreimal soviel wie in der Bundesliga) lockte noch mehr ausländische Stars, etwa den Holländer Marc Overmars zu Arsenal oder den Deutschen Karlheinz Riedle zum FC Liverpool.

Wie tief die Veränderungen gehen, läßt sich am besten bei den kleinen Vereinen beobachten. Zum Beispiel in Derby. Jim Smith stapft aus der Rammbock-Arena, wie das Trainingsgelände offiziell heißt (weil der Widder das Wappentier von Derby ist), in sein Büro. „Was machen denn all die jungen Frauen hier?“ wundert er sich laut. Strenggenommen ist es eine junge Frau. Die Dolmetscherin für Francesco Baiano, den neuen Stürmer, der vom AC Florenz kam. Zwar hat Smith Bedenken („Wenn unser Präsident sieht, wie klein der Baiano ist, wird er sicher entsetzt schauen“), die meisten Leute sind allerdings eher fassungslos, daß ein durchschnittlicher Verein wie Derby County, Zwölfter im vergangenen Jahr, nun Größen wie Baiano und Stefano Eranio, der die erfolgreichen Zeiten des AC Mailand mitgestaltete, anstellen kann. Als dieser Tage parallel zu den Italienern auch noch die Queen in die mittelenglische Provinz kam, um Derbys neues, 60 Millionen Mark teures Stadion einzuweihen, war das für die Tageszeitung The Guardian der Beweis, „daß es nichts mehr gibt, womit wir nicht rechnen müßten“.

Seit ihnen Fernsehen und Werbebranche die Konten prall füllen, können selbst kleinere englische Vereine Gehälter zahlen, die in Deutschland nur die großen aufbringen. Der FC Middlesbrough, um das extremste Beispiel zu nennen, überweist dem Italiener Fabrizio Ravanelli sechs Millionen Mark pro Jahr – in der zweiten Liga. So wurde England ein Einwanderungsland. In der Saison 87/88 spielten in der Premier League 14 Ausländer. Zehn Jahre später sind es über 130.

Ein Dutzend von ihnen fand sich unlängst exemplarisch in der Tageszeitung The Express wieder, ihre Porträtfotos aufgereiht wie Terroristen auf einem Fahndungsplakat. Darunter stand: „Töten diese Männer unseren Fußball?“ Es heißt, die Gastarbeiter würden den englischen Talenten die Entwicklungsmöglichkeiten verbauen. In Wirklichkeit hat der Abschied aus der Isolation das Spiel auf der Insel erheblich vorangebracht. Mit den internationalen Profis hat England die moderne Trainingslehre entdeckt.

Es ist Abend geworden in der Rammbock-Arena. Aber noch ist der Arbeitstag nicht zu Ende. Taktikschulung mit Video steht an. Als er vor fünf Jahren in Derby anfing, erinnert sich Stürmer Paul Simpson (31), saß die Mannschaft nach ein Uhr mittags allenfalls noch im Pub beisammen. „Wir werden“, sagt Simpson, „nicht nur bessere Spieler. Sondern auch bessere Menschen.“ Ronald Reng

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