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Wir sind kein Volk

■ Bund Freier Bürger lädt zum Vortrag über den Euro und die Freiheit als solche

Nicht-Ergraute müssen stehen. Einige Grauhaarige auch. Nie gibt es genug Sitzplätze im Büro des Bundes Freier Bürger an der Börsenbrücke. Vor allem nicht, wenn es um den Euro geht. Der lockt alle, die irgendwie an der D-Mark hängen – freie Bürger oder nicht.

Was der Landesvorsitzende der Freien Bürger, Kristof Berking, am Freitag abend zur Freiheit im allgemeinen und der des Staates im besonderen sagt, interessiert den Mann in der dritten Reihe daher kaum. „Binsenweisheiten“, raunt er seiner Frau zu. Richtung Podium ruft er: „Wir sind hergekommen, um über den Euro zu reden.“

Ohnehin wollte Berking gerade konkret werden. AusländerInnen müßten aufhören, auf Kosten deutscher Steuerzahler ihre Zähne reparieren zu lassen, fordert er, und daß Hamburg mehr Polizisten in Uniform brauche. Das eint die ZuschauerInnen. Applaus. Gemeinsames Kopfschütteln auch über die „Diktatur der Altparteien“und die Jugend, die meint, „nur Rechte, aber keine Pflichten“zu haben. „Lassen Sie sich nicht einreden, Sie seien rückwärtsgewandt“, ruft Berking. „Was wir machen, ist freiheitliche Politik.“

Draußen vor der Tür fordern derweil einige DemonstrantInnen: „Schließt das Nazi-Büro.“Drinnen findet man das schockierend. Ein Freier Bürger sagt: „Die haben wohl Angst, daß hier mal jemand die Wahrheit sagt.“Die Wahrheit ist, daß niemand den Euro braucht oder will, erklärt unterdessen der Gründer des Bundes, Manfred Brunner. „Es gibt kein europäisches Volk“, weiß der Ex-FDPler. Und wo kein Volk sei, brauche man auch keine Einheitswährung.

Während Brunner sich in Rage redet, scharrt auf den Stehplätzen ein Mann von den Republikanern mit den Füßen. Warum die Freien Bürger nicht in seine Partei eintreten, will er wissen. „Wir sind kein Sammelbecken für national Gesonnene“, verwehrt sich Kristof Berking. Obwohl gegen Nationalität generell nichts einzuwenden sei. Wieder eine Binsenweisheit, grummelt der Mann aus der dritten Reihe. Er geht. Als er sich an den Türstehern vorbeiquetscht, wirft er einen Blick zurück: „Da sind zwei Plätze freigeworden.“ Judith Weber

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