■ Vorschlag
: Ohne Verleih – Kleine Entdeckung beim Film Testival im Filmkunst 66

Filme, die keinen Verleih finden, kann man mit Glück auf einem der europäischen Festivals sehen oder in gut sortierten Videodromen finden. Franz Stadler vom Filmkunst 66 wollte das nicht einsehen. Er begann akribisch nach um die Welt reisenden Filmrollen zu fahnden und nach Leuten, die die Verleihrechte erworben haben. Dabei hat er durchaus Filme mit Star-Appeal aufgetrieben. So „The Music Of Chance“ nach einem Roman von Paul Auster.

Vor allem US-amerikanische Independent-Produktionen laufen bis 27. August. Meist ohne ablenkende Untertitel, im nackten Originalzustand. Morgen um 18.15 Uhr „Heavy“ von James Mangold. Der Film ist genau eine dieser Geschichten, bei der wahrscheinlich schon zig zigarrerauchende Scriptvernichter der Filmindustrie kopfschüttelnd abgewunken haben: Viel zu dicker Junge verliebt sich in süße kleene Kellnerin. Ihre altbackene Kollegin, die jede der grazilen Tablettjonglagen der Neuen eifersüchtig beäugt, ist niemand Geringeres als eine der Hauptheldinnen unserer Jugend: Deborah Harry, einige nennen sie auch Blondie. Wundervoll, wie sie in ihrem blauen Kittel mit dem runden Namensaufnäher Delores eine Frau spielt, die nicht mehr jeden kriegt, den sie früher locker hätte in die Kitteltasche stecken können. Die Musik ist, um gleich den nächsten Helden abzufrühstücken, von Sonic Youths Thurston Moore.

Das Leben in Heavy findet immer da statt, wo wir nur Zuschauer sind. Höchste Glücksmomente sind schüchterne Handreichungen mit Küßchen im Auto unter der Einflugschneise des Flughafens. Selber fliegen ist nicht. Dabei wären Mister Dick und Miss Dünn so ein herrliches Paar. Wie sie sich kunstvoll den dünnen Pizzateig zubalancieren, das könnte doch schon für ziemlich viel Glück reichen. Aber immer wartet draußen im Auto schon der Boyfriend. Dann stirbt auch noch die allerliebste Mama. Kurz vorher wollte der Sohn noch abnehmen, jetzt sieht er die Reklame für die Dünnmacher im TV und stopft sich einen Schokoriegel nach dem andern rein. Selten hat man jemand so überzeugend leidend essen sehen. Andreas Becker

Bis zum 27.8. im Filmkunst 66, Bleibtreustraße 12, Charlottenburg