Verarmte Laubenpieper ohne Gemüse

Die Hamburger Sozialbehörde verlangte von bedürftigen Familien, sie sollten ihre Kleingärten aufgeben. Doch couragierte Gutachter der Gartenfreunde halfen ihnen aus der Not  ■ Aus Berlin Barbara Dribbusch

Die Frau hatte sich scheiden lassen und mußte anschließend mit ihren drei Kindern auch noch Sozialhilfe beantragen. Keine angenehme Situation. Glücklicherweise hatte die verarmte Einelternfamilie aber noch den Kleingarten, um sich von dem sozialen Absturz zu erholen.

Nicht mehr lange, so wollte es die zuständige Dienststelle des Hamburger Sozialamts: Die Sachbearbeiter verlangten von der Frau, ihren gepachteten Garten zu kündigen und die Laube einem Nachpächter zu verkaufen. Andernfalls werde die Sozialhilfe nur als befristetes Darlehen gewährt.

„Solches Vorgehen ist im Kommen“, stellt Theresia Theobald fest, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde (BDG). Der BDG brachte den Fall jetzt im Rahmen einer Verbandstagung an die Öffentlichkeit. „Da sagen die Ämter: Kleingärten sind Privatvergnügen. Eine Laube gilt als verwertbares Vermögen.“ Dabei sei doch das schmale Stückchen Grün oft die letzte Freude, die die Leute noch haben.

Am Ende aber half der alleinerziehenden Mutter aus Hamburg dann doch ein Gutachten des BDG. Dieses bewertete die Laube mit 2.500 Mark, und das lag unterhalb der Grenze für das „Schonvermögen“ von SozialhilfeempfängerInnen. Damit blieb die Parzelle vom Zugriff der Sozialbehörde verschont.

Auch in einem zweiten Fall, so schildert Theresia Theobald von den Gartenfreunden, forderte das Sozialamt von einer Familie mit Kindern, daß sie ihr grünes Glück aufgeben sollten. Der Vater war arbeitslos geworden und mußte Sozialhilfe beantragen. Auch in diesem Fall kann die Familie weiterhin Gemüsebeet und Laube in Ruhe weiterbewirtschaften. Ein Gutachter des BDG half auch hier erneut mit einer bescheidenen Bewertung aus der bedrohlichen Klemme: Die Laube wurde als nur „geringer Vermögenswert“ eingestuft. In der Kleingartenpraxis kosten Lauben den Nachpächter hingegen oft mehr als 10.000 Mark. Mit einer „großzügigen Wertermittlung nach unten“, so Frau Theobald vom BDG, lasse sich das Problem der verarmten Kleingärtner jedoch nicht lösen. „Da müßte der Gesetzgeber ran.“

Laut Gesetz ist da bislang aber wenig zu machen: „Eine Laube gilt als verwertbares Vermögen“, betont Eckart Marwedel, Referatsleiter beim Landessozialamt in Hamburg. Es stünde allerdings im Ermessen der Dienststellen, bei verarmten Kleingärtnern die „Härtefallregelung“ anzuwenden.

Danach kann das Sozialamt Vermögensteile schonen, wenn deren Verlust eine „besondere Härte“ für die Betroffenen bedeuten würde.

„Die meisten Dienststellen machen von der Härtefallregelung wohl auch Gebrauch“, vermutet Referatsleiter Marwedel. Ihm sei kein Fall bekannt, wo Sozialhilfeempfänger zur Aufgabe ihrer Laube gezwungen werden sollten. Es „könnte aber schon sein“, daß einzelne Dienstellen angesichts der Finanznot jetzt zu einer strengeren Betrachtung übergingen.

Betrachte man die Quote der Sozialhilfeempfänger, wären rein statistisch einige zehntausend Laubenpieper von einer strikteren Behördenpraxis betroffen.

Freilich gebe es da schon jetzt „auch eine hohe Dunkelziffer“, so Theobald. „Manch einer kündigt seine Laube still und leise, weil er nicht möchte, daß die Nachbarn von seinem Sozialhilfeantrag erfahren.“ Die Verbandschefin empört besonders, daß Eigenheime, die von Sozialhilfeempfängern selbst bewohnt werden, vom Zugriff der Behörden verschont bleiben. Der Schrebergarten indes gehört laut Amt nicht zum „notwendigen Lebensbedarf“.

Eine Ironie der Laubenpiepergeschichte: Die Schrebergärten dienten nämlich ursprünglich der „Subsistenzwirtschaft“, dem Anbau von Obst und Gemüse für Arbeiter, die früher nicht mehr Lohn erhielten als das Existenzminimum.