Wühltisch
: Lust auf Neue Bescheidenheit

■ Exzessives Sparen ist im Kommen. Und damit der Prolo-Roadster Z3 von BMW

In der Filmästhetik der siebziger Jahre galt James Bond als Symbol ostentativer Verausgabungen. Das ganze Projekt war ein einziges Fest der Verschwendung. Unterwegs in geheimem Auftrag, gegen die bösen Mächte und für das große Ganze, entwickelten seine Auftraggeber eigens für die riskanten Unternehmungen ihres Helden luxuriöse Mehrzweckwaffen. Armbanduhren, die sich als Hochleistungscomputer entpuppten oder Schuhe, die sich im Notfall in schnellschießende Feuerwaffen verwandelten.

Den Bondschen Warenzauber schlechthin manifestierte eine Sportkarosse der Marke Austin, ein in wenigen Sekunden von Null auf Hundert beschleunigendes, gepanzertes Automobil, versehen mit Handschuhfachflak und Eleganzbömbchen unter der Stoßstange. Höhepunkte des Films waren immer das orgiastische Explodieren eben solcher Luxusgüter.

Die Bond-Filme nahmen die Vermarktungsstratgien um Jahre vorweg. Äußerlich kaum mehr als ein Landstraßenflitzer, war das Geheimnis des Austin das hydraulisch herausfahrbare Andere. James-Bond-Filme zeigten die Konsumartikel als Traumfabrikate, die die blonden Schönen, mit denen Bond sich umgab, auf wundersame Weise in den Schatten stellten. Ehe es zum sexuellen Vollzug kommen konnte, gingen die vielseitigen wie kostbaren Unikate anstelle der bläßlichen Sexbomben in die Luft.

So soll es sein. Anders kann man die gleichzeitige Premiere von Film und BMW Z3 und dessen auffällige Gestaltung jedenfalls nicht verstehen. Das Vorhaben scheint aber weitgehend mißlungen. Unter Autofreunden ist der Z3 längst als Prolo-Roadster durchgewunken. Eine erschwingliche, kaum mehr als 40.000 Mark teure Prothese für das tägliche Kampffeld Autobahn. Dabei tobt auf Deutschlands Straßen, wenn man jüngsten Trendmeldungen Glauben schenken darf, längst ein Kampf der Zurückhaltung. Es dürfen auch schon einmal ein paar PS weniger sein. Nie zuvor rollten soviel Kleineier mit ausgeprägtem Designwollen durch den Verkehr. Der Wirtschaftsbürger hat die Sparwelle entdeckt und übt sich in Feilschen und demonstrativem Konsumverzicht.

Marktbeobachter haben unlängst sogar eine Verwahrlosungsneigung festgestellt. Gekauft werden allenfalls noch Mitnahme- und Kleinmöbel. Ein Indiz für die Richtigkeit der These ist die Aufgabe des jahrelang als Synonym für die neue Einrichtungslust stehenden Berliner Möbelhauses „Schneller wohnen“. Die Party ist vorbei, die Naturleder-Sitzgruppe im Pfandhaus. Eine Forsa-Umfrage bestätigt den Befund: Man spart 63 Prozent bei den Ausgaben von Kleidung und Schuhen, benutzt den Tennisschläger zwei Jahre länger und geht nur noch halb so oft ins Kino und Theater. Das Modebewußtsein der deutschen Frau, heißt es dazu im Bericht der Woche, drohe zu verkümmern. „Frauen gaben 1996 für Unterwäsche zum Beispiel nur 25 Mark aus.“ Das erinnert, auch wenn wohl der Pro-Hintern-Verbrauch gemeint war, an die dümmlichen Witze über die Deutschen und ihre Körperreinigungspraktiken.

Dabei ist gar nicht einmal gesagt, daß es allen Sparern auch tatsächlich schlechter geht. Die Geste des Gürtel-enger-Schnallens hat etwas von einer sich kontinuierlich steigernden Diätsucht. Eine Café-Inhaberin konnte mir kürzlich anschaulich beschreiben, wie junge Mütter Tee und Gebäck für ihre Kleinen in aufdringlichem Selbstbewußtsein mitbringen und dezente Hinweise zum Verzehr entschieden zurückweisen. Stundenlanges Verweilen bei einem Glas Selters wird zur gezielten Herausforderung der Nervenstärke von Wirtsleuten. Volkswirtschaftlich steuert anhaltendes Sparen, das in der Politik sein obsessivstes Vorbild hat, vermutlich auf eine mittlere Katastrophe zu. Psychoanalytisch ist die Sache relativ eindeutig.

Das kleine Kind, das stolz ins Töpfchen macht, feiert sein erstes Geschäft. Das lustvolle Zurückhalten des Kots ist demnach die erste Ersparnis. Auf lange Sicht ist es aber besser, die Dinge loszuwerden. Harry Nutt