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Es läßt sich auch anders regeln

Trotz einiger Schmiergeldprozesse gehört in Polen Bestechung zum Alltag: Gute Operationen und begehrte Studienplätze sind teuer  ■ Aus Warschau Gabriele Lesser

Daß das richtige Schmieren von Ärzten, Professoren und Polizisten eine „hohe Kunst“ ist, die es zu erlernen lohnt, weiß jeder Pole. „Ich bin Ihnen dankbar und werde dem Ausdruck verleihen“, ist gegenüber Chefärzten angebracht, die eine Operation „bestmöglich“ durchführen sollen. Die Nachfrage: „Wie kann ich mich Ihnen erkenntlich erweisen?“ eröffnet die Verhandlungen. Je nach Schwierigkeitsgrad der Herz-, Knie- oder Prostataoperation kommen 500 bis 5.000 Zloty ins Spiel (etwa 300 bis 3.000 Mark). Aber auch schon ein Bett im Krankenhaus „außer der Reihe“ kann bis zu 1.000 Zloty kosten (etwa 600 Mark). Ähnlich teuer sind Studienplätze an begehrten Fakultäten, bei den Medizinern und Schauspielern beispielsweise. Die polnischen Medien veröffentlichen regelmäßig – unter dem Mäntelchen moralischer Entrüstung, versteht sich – die aktuellen Preislisten sowie einen kleinen „Bestechungs- Knigge“ für den Alltag.

Schwierige Situationen meistert der Könner mit der richtigen Mimik und einem dicken Umschlag: Trunkenheit am Steuer, die gefährdete Versetzung des Kindes, das Abitur oder die Aufnahmeprüfung an einer Universität, Führerschein und günstige Zollabfertigung – alles hat seinen Preis. „Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung“, fragt man in diesen Fällen höflich. An der Grenze darf der Ton schon mal rauher werden. Der ungeduldige Trucker, der Tomaten geladen hat und tagelang in der brennenden Sonne auf die Abfertigung warten soll, schnauzt: „Zeit ist Geld, Mann! Wieviel?“ Und für ein paar hundert Zloty, drei Stangen Zigaretten oder einen Schinken brummt der Zwanzigtonner an der Schlange vorbei. Bei Polizisten ist der freundliche Hinweis angebracht: „Für ein Knöllchen ist das Papier doch viel zu schade!“ oder bei größeren Vergehen: „Läßt sich das nicht auch anders regeln?“ Meist kommt dann die Antwort: „Das kommt darauf an“, oder „Was stellen Sie sich denn vor?“

Auf der neuesten Liste „Korruption in der Welt“, die das Institut „Transparency International“ mit Sitz in Berlin jährlich veröffentlicht, belegt Polen Platz 29 von insgesamt 62 untersuchten Ländern. Dieser „gute Mittelplatz“, den das Land auch schon im letzten Jahr einnahm (1996: Platz 24), stößt bei den Polen zugleich auf Freude und Verwunderung. Jeder zweite nämlich hält die Bestechung im Lande für ein Alltagsphänomen. Der internationalen Rangliste zufolge sind von den osteuropäischen Ländern nur Tschechen und Ungarn weniger korrupt als Polen, bei Rumänen und Russen hingegen geht gar nichts ohne ein Bakschisch. Eine andere Untersuchung, durchgeführt von der französischen Tageszeitung Le Figaro, kommt zu einem für Polen weniger schmeichelhaften Ergebnis: Platz 37 bei 48 Ländern im Jahre 1996.

Obwohl natürlich auch die polnischen Ärzte den Eid des Hippokrates schwören, stellen sie seit Jahren die Hauptgruppe unter den Korrupten: knapp 40 Prozent. Danach kommen mit knapp 13 Prozent die Professoren und Dozenten, dann die Polizisten, Richter und Anwälte, die Beamten und am Schluß die Priester. Der Gesundheitsminister macht wie die meisten Patienten und Ärzte die niedrigen Gehälter im Gesundheitswesen für die dort so verbreitete Korruption verantwortlich. Während polnische Manager allmählich so viel verdienen wie ihre westlichen Kollegen, müssen sich polnische Fachärzte noch immer mit dem Landesdurchschnittsgehalt von 800 bis 1.000 Zloty begnügen (440 bis 550 Mark).

Damit aber kann keine Familie unterhalten werden. Die Ärzte müssen also entweder eine zweite Stelle annehmen, wie das noch immer ein großer Teil der Berufstätigen tut, oder aber auf „Zuzahlungen“ der Patienten setzen. Der Gesundheitsminister sieht die Lösung des Problems nicht etwa in der Anhebung der Gehälter, sondern in verstärkter Kontrolle. Außerdem, so erklärte er Anfang letzten Jahres, schätze er die Ärzte ganz besonders, die „eine Privatpraxis aufmachen, da sie offiziell Geld nehmen und nicht einen Umschlag unter dem Tisch“. Das aber bedeutet das Ende des öffentlichen Gesundheitswesens.

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