Madame Guigou macht Schluß mit der Kungelei

■ Frankreichs neue Justizministerin will freie Hand für Staatsanwälte und Richter

Die Wahlurnen waren gerade ausgezählt, da eröffnete die französische Justiz bereits Untersuchungsverfahren gegen drei ehemalige Minister. Es geschah am Montag und Dienstag nach der Parlamentswahl vom 2. Juni 1997, die überraschend die Opposition an die Macht gebracht hatte. Und es ging um das Übliche: illegale Parteienfinanzierung.

Ein Fall von politischer Justiz? Rache der neuen sozialistischen Machthaber an ihren konservativen Vorgängern? Das ist unwahrscheinlich. Die Verfahren gegen die drei – von denen einer schon länger nicht mehr zur Regierung gehört hatte – waren schon lange vorbereitet. Die Möglichkeit, zwei peinlich gewordene Minister elegant loszuwerden, galt in Paris sogar als Grund dafür, daß Premier Alain Juppé partout die Parlamentsauflösung samt Neuwahlen gewollt hatte. Die dann aber letztlich ihn selbst wegfegten. Der eigentliche Grund für den Termin der Untersuchungseröffnung gegen die drei Konservativen Pierre Méhaignerie, Bernard Bosson und Jacques Barrot war das traditionelle Prinzip der französischen Justiz, „politische Affären“ in Wahlkampfzeiten zu vermeiden.

Umgekehrt freilich existiert dieses Prinzip der Nichteinmischung nicht. Jedenfalls bislang nicht. Der „lange Arm“ von Paris – sei es direkt aus dem präsidialen Elysée- Palast, sei es aus dem Justizministerium – sorgte in der jüngeren französischen Geschichte oft für die Verschiebung, Verschleppung oder Einstellung von heiklen Affären. Präsident Jacques Chirac (RPR) und sein neogaullistischer Justizminister Jacques Toubon haben während ihres gemeinsamen Waltens auch mehrere Schlüsselstellen mit ihnen gesonnenen Personen besetzt. Unter anderem engagierte der Justizminister (RPR) seinen eigenen Kabinettschef Alexandre Benmakhlouf als Generalstaatsanwalt für Paris, der über das dicke Dossier der Ermittlungen gegen die RPR wachen muß. Sein Kollege, Innenminister Jean-Louis Debre (ebenfalls RPR), tat es ihm gleich: Als der Polizeichef Olivier Foll, der sich geweigert hatte, einem Richter bei einer Durchsuchung am Wohnsitz des Pariser Bürgermeisters (RPR) zu helfen, rechtskräftig verurteilt wurde, behielt Debre ihn trotzdem im Amt.

Seit den Wahlen soll nun alles anders werden. Die sozialistische Justizministerin Elisabeth Guigou erklärte schnell, sie werde die Nichteinmischung zu ihrem Prinzip machen. „Ich will radikal mit dem System brechen, das ich hier vorgefunden habe“, sagte sie Journalisten. „Im Prinzip gab es keine Intervention, aber in Wirklichkeit intervenierte man telefonisch und ohne schriftliche Spuren zu hinterlassen.“ Transparenz war ganz eindeutig nicht die Sache ihres Amtsvorgängers. Toubon und sein Kollege Debre vernichteten einen großen Teil ihrer Dokumente, ehe sie ihre Ministerien räumten.

Justizministerin Guigous Partei, die PS, ist nicht die einzige Interessentin, die freie Hand für die Justiz wünscht. Neben dem Wahlvolk, für das die Unduchschaubarkeit der Justiz und die Kungeleien mit korrupten Politikern und Unternehmenschefs ein wichtiger Grund für die Abwahl der Konservativen war, sind da vor allem noch die Untersuchungsrichter, Richter und Staatsanwälte, von denen sich einige schon längst größere Freiheiten nehmen. Gegenwärtig ist die mächtigste Person im Justizapparat eine Frau. Eva Jolie ermittelt, inzwischen unterstützt von einer zweiten Richterin, gegen die Crème de la crème der französischen Finanz und des Managements. Bei ihrem größten laufenden Verfahren mit dem Arbeitstitel „Elf“, wie der staatliche Erdölkonzern, hat Jolie ihre Ermittlungen bis nach Afrika, Liechtenstein und Deutschland ausgeweitet. In letzterem Untersuchungsgebiet interessiert sie sich unter anderem für die Parteikasse der CDU, die möglicherweise auch vom Reptilienfonds bei Elf profitiert hat.

Daß Madame Guigou das Prinzip der Unabhängigkeit der Justiz im Zweifelsfall auch gegen eigene Parteiinteressen aufrechterhält, konnte sie – wegen der kurz nach ihrem Amtsantritt beginnenden Sommerpause – allerdings erst einmal unter Beweis stellen. Da ging es um die Gattin des neogaullistischen Pariser Bürgermeisters. Xaviere Tiberi stand wegen einer kleinen „Studie“ vor Gericht, die zwar abgeschrieben war, für die sie aber nichtsdestotrotz 200.000 Francs (ca. 60.000 Mark) von einem Parteifreund ihres Gatten kassiert hatte. Anfang Juli, als das Berufungsgericht die Affäre wegen Verfahrensfehlern einstellte, hielt sich die neue Regierung völlig zurück. Dorothea Hahn, Paris