Mehr Platz für Flüsse

BUND fordert Stopp für Flußausbauten. Oderufer sollen waldreich und menschenleer werden  ■ Aus Berlin Gudrun Giese

Das gerade überstandene Oder- Hochwasser soll die Wende bringen: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zumindest hofft, daß die Flutkatastrophe Politiker und Wasserbauer für das Thema Hochwasserschutz sensibilisiert hat. In Berlin präsentierten gestern BUND-Experten einen Katalog weitreichender Forderungen.

Alle Wasserstraßen-Ausbauprojekte an Elbe, Donau, Havel und Saale sollen danach sofort gestoppt, die Flußufer renaturiert werden. „Die Oder hat in den vergangenen Jahrzehnten achtzig Prozent ihrer Überflutungsauen verloren“, stellte Sebastian Schönauer, wasserpolitischer Sprecher des BUND, fest. Deshalb müßten in Zukunft die Flußufer für weitere Besiedlung tabu sein.

Kurzfristig möchte aber der BUND weder die BewohnerInnen des Oderbruchs noch der Ziltendorfer Niederung aus ihren Häuschen vertreiben. Auf längere Sicht aber könne, so Schönauer, die Umsiedlung die beste Lösung sein.

Auch eine positive Erfahrung sei mit dem Hochwasser verbunden gewesen: „Der Nationalpark Unteres Odertal hat sich als natürlicher Hochwasserschutz bewährt.“ Wichtig ist es allerdings aus Sicht des BUND-Fachmanns für Wasserstraßenausbau, Ernst Paul Dörfler, im oberen Flußbereich der Oder Überlaufflächen wiederherzustellen. In Tschechien seien durch das Waldsterben zum Beispiel im Riesengebirge natürliche Wasserspeicher verlorengegangen.

Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) hatte in der vergangenen Woche mit ihren Amtskollegen aus Tschechien und Polen vereinbart, einen gemeinsamen Aktionsplan für den Hochwasserschutz an der Oder zu erarbeiten. Konkrete Ideen gibt es nicht. Im brandenburgischen Umweltministerium liegt das Hauptaugenmerk derzeit auf dem Wiederaufbau der zerstörten Deiche.

Auf die Forderung des BUND, alle Wasserstraßenausbau-Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan zu stoppen, hat das Bundesverkehrsministerium bereits vorab reagiert: Aus dem Haus von Minister Matthias Wissmann (CDU) hieß es, der Wasserstraßenausbau trage „in der Regel nicht zur Verschärfung des Hochwasserrisikos bei“; der Hochwasserabfluß verbessere sich sogar. Zudem würden bei allen Ausbauvorhaben die Auswirkungen auf den Hochwasserabfluß und auf die Flußauen ermittelt. So wird auch das lange umstrittene Projekt Deutsche Einheit 17, bei dem Teile der Havel ausgebaut werden sollen, mit allen mühselig gefundenen Kompromissen fortgesetzt.

Zumindest ist es unwahrscheinlich, daß die Havel ein vergleichbares Hochwasser wie die Oder produziert: Dazu fehlen ihr die Zuflüsse und somit die Wassermengen nach starkem Regen.