Keiner will Nazi-Erben der I.G. Farben

■ Frankfurter Hotels weigern sich, die Hauptversammlung des Unternehmens auszurichten. Die I.G. Farben in Abwicklung verwaltet das Restvermögen des Konzerns, der Zehntausende von KZ-Häftlingen beschäftigte

Frankfurt/Main (taz) – Die I.G. Farben in Abwicklung muß ihre Aktionäre ausladen. Die Nachfolgeorganisation der Firma, die das tödliche Zyklon B für die Konzentrationslager der Nationalsozialisten lieferte, findet keinen Veranstaltungsort für ihre Hauptversammlung am 22. August. Das Arabella Congress Hotel in Frankfurt stellt seine Räume nicht mehr zur Verfügung. Deshalb bliesen die beiden Liquidatoren die Veranstaltung ab.

Das Hotel begründete die Kündigung des Mietvertrags damit, daß sowohl in Deutschland als auch im Ausland Aufrufe zur Verhinderung der Aktionärsversammlung kursieren. Nach Angaben des Auschwitz-Komitees haben Gewerkschaften und Firmen, die die Räume des Hotels bisher häufig nutzten, mit Boykott gedroht. Andere Gaststätten und Kongreßzentren hatten der I.G. Farben i.A. schon vorher abgesagt. Die Vertragskündigung von Arabella wertet die Kampagne „Nie wieder!“ als Beleg für die zunehmende gesellschaftliche Ächtung der I.G. Farben i.A. Die Kampagne, die vom Auschwitz-Komitee und von den Kritischen AktionärInnen getragen wird, fordert die umgehende Liquidierung der I.G. Farben i.A. Vom Restvermögen der Gesellschaft sollen die Opfer der Firma endlich entschädigt werden – so wie es seit Gründung der Gesellschaft vorgesehen ist.

Die I.G. Farben wurde 1926 als Zusammenschluß der großen deutschen Chemiefirmen gegründet. In der NS-Zeit beschäftigte das Unternehmen Zehntausende von ZwangsarbeiterInnen. Allein in einem für die I.G. Farben eingerichteten Außenlager des KZs Auschwitz, Monowitz, kamen 30.000 Menschen ums Leben. Zwar wurde die I.G. Farben nach dem Krieg von den Alliierten offiziell aufgelöst und mehrere Direktoren der Firma vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal verurteilt. Doch wenig später saßen sie bei den I.G.-Farben-Nachfolgern Bayer, BASF und Hoechst wieder in den Chefetagen. In den 50er Jahren wurde die I.G. Farben in Abwicklung gegründet, die das noch vorhandene Kapital an die Opfer verteilen sollte. „Abgewickelt“ wird das Unternehmen seit nunmehr 42 Jahren. Doch an Entschädigung bezahlt hat es lediglich in den 60er Jahren einmalig 27 Millionen Mark an jüdische ZwangsarbeiterInnen. „Weder Roma und Sinti noch die nichtjüdischen kommunistischen Häftlinge, weder die Überlebenden in Osteuropa noch die wenigen Überlebenden der Menschenversuche der Bayer AG, weder die zahlreichen I.G.-ZwangsarbeiterInnen innerhalb Deutschlands – keine dieser Gruppen wurde je entschädigt.“ So steht es im „Memorandum zu I.G. Farben“, das vom Auschwitz- Komitee herausgegeben wurde. „Blutaktien“ nennt der Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Peter Gingold, die I.G.-Farben-Papiere.

Die „Abwicklung“ wird von den Liquidatoren Bartels und Vollmann weiter verschleppt. Sie meldeten Ansprüche auf Rückgabe von Vermögenswerten der alten I.G. Farben in Milliardenhöhe in Ostdeutschland an. Die juristischen Auseinandersetzungen darüber sind noch nicht letztinstanzlich entschieden. Außerdem handelt die Gesellschaft über ein Tochterunternehmen mit Immobilien – ganz entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung. Die I.G. Farben i.A. verwaltet Kapital in Höhe von rund 28 Millionen Mark und wies 1995 einen Jahresüberschuß von 278.000 Mark aus. Jetzt sucht sie neue Räume für die Hauptversammlung – am liebsten in einem „gut zu schützenden Gewerbeobjekt“ in Frankfurt oder an einem anderen Börsenplatz. Klaus-Peter Klingelschmitt