Wer hat Angst vor Krista Sager?

Antwort: Bürgermeister Henning Voscherau. Das körperliche Unbehagen eines Platzhirsches und das HH-1-Gruppenbild mit Dame bei der TV-Elefantenrunde beobachtete  ■ Silke Mertins

Hamburg-1-Moderator Herbert Schalthoff hatte es geschickt eingefädelt. Als der Erste Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) wenige Minuten vor der Live-Übertragung der „Elefantenrunde“am Dienstag abend in den neunten Stock des Axel-Springer-Hochhauses geeilt kam, war nur noch ein Platz unbesetzt: der neben GAL-Spitzenkandidatin Krista Sager. Bitte, wandte Voscherau sich an den Liberalen Frank-Michael Wiegand, ob er nicht mit ihm tauschen wolle? „Och, nö“, gab der FDP-Spitzenkandidat zurück, „ich fühle mich auf meinem Stuhl ganz wohl.“

Steif nahm der Bürgermeister neben der ungeliebten grünen Konkurrentin Platz. Kein Blick wurde ausgetauscht, kein Wort gewechselt. „30 Grad ist es draußen!“, sagte plötzlich Sager in die wohltemperierte Stille der Herrenrunde. Endlich lief der Vorspann. Schalthoff moderierte locker an, stellte seinen Co-Moderatoren, Bild-Hamburg-Chef Menso Heyl, und die Spitzenkandidaten von SPD, CDU, GAL, FDP und Statt Partei vor. Mit dieser ungewöhnlichen Organisationsform – Privatsender und Boulevard-Massenblatt – wollte man umgehen, daß rechtsextreme Parteien sich beim öffentlich-rechtlichen NDR einzuklagen versuchen wie bei der geplatzten Elefantenrunde vor der Wahl 1993.

Ganz wie bei Hofe hatte das erste Wort der Erste Bürgermeister. Man müsse sich „zu Leistung bekennen“hatte er zum Thema Arbeitslosigkeit zu sagen. Gleichzeitig brauche man die Solidarität der Starken mit den Schwachen. Dann erhob Ole von Beust (CDU) seine Stimme und begann mit rudernden Armbewegungen zu beklagen: „Wenn die großen Unternehmen rufen, ist der Staat da, für die kleinen gibt es nichts als Drangsalierungen.“Auch GAL-Star Krista Sager will auf kleine und mittlere Unternehmen setzen, „die einzigen, die noch Beschäftigungszuwächse haben“. Voscherau wandte sich der Grünen mit dem Gestus väterlicher Milde zu. Laßt das Mädel mal reden, suggerierte seine gönnerhafte Miene. Zu sagen hatte sie als einzige Konkretes: 160.000 alte Wohnungen in Hamburg sollen nach dem Willen der GAL mit Wärmedämmung ausgestattet werden. Die Koppelung von Arbeitsmarkt- und Umweltpolitik bringe 5000 Arbeitsplätze.

Jürgen Hunke, neue Speerspitze des Regierungspartners Statt Partei, schüttelte sein gel-behandeltes Haupt über derlei „programmatische kleine Details“und holte umständlich zu pleonastischen Erklärungen aus. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bräuchte es „Zuversicht und Risikobereitschaft“. Patentrezepte gäb's halt nicht. Und der Bürgermeister sei ein netter Kerl, den er „voll unterstütze“.

Damit sprach er allen Diskutanten aus dem Herzen. Alle wollen an der Seite Voscheraus zu den Regierungsbänken geführt werden; sie schnurrten und buhlten und wetteiferten. Selbst Krista Sager wiederholte keineswegs in Voscheraus leibhaftiger Gegenwart den Vorwurf, die SPD spiele mit ihren Law-and-Order-Sprüchen den Rechtsradikalen zu und begehe Verrat an der eigenen Tradition, wenn sie aus einem Unterschichts- ein Ausländerproblem mache. Nicht einmal als der Stadtchef ankündigte, jugendliche Asylbewerber mittels eines Verteilungsschlüssels in andere Bundesländer loswerden zu wollen, handelte er sich grüne Widerworte ein.

Am Kampfgeist der GALierin lag es nicht. Nur hatte Sager mit den Moderatoren zu kämpfen, die ihr im Gegensatz zu den männlichen Gesprächspartnern ständig ins Wort fielen, sich mitten im Satz von ihr ab- und der parteipolitischen Herrlichkeit zuwandten. „Der Hunke darf endlos labern“, entfuhr es der entnervten Krista Sager schließlich. Und an Wiegand gewandt: „Quatschen Sie nicht immer dazwischen.“Schließlich wollte sie erklären, warum der Hafen effizienter werden und damit die Stadtkasse entlasten müsse.

Voscherau betrachtete voller Mitleid die grüne Spitzenpolitikerin. Sie müsse sich wohl „noch etwas Fachwissen verschaffen“. Denn „jeden Quatsch mache ich nach der Wahl nicht mit“. Aus, Schnitt, Ende. Mit seinem Hofstaat zog Titelverteidiger Voscherau nach gewonnener, wenn auch nicht glänzender, Redeschlacht zum Büffet.