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■ VorschlagWo genau steht heute die Macht? – KRS-One heute abend im Alcatraz

Zu viele Rapper, nicht genug Sinn. Im Jahr 1997 umschmeicheln supergeniale Produzenten die immer geschulteren Ohren verwöhnter KonsumentInnen. Alles hört sich gut an und sieht noch viel besser aus. Weder „Fight The Power“ (Public Enemy) noch „Fight For Your Right To Party“ (Beastie Boys) zieht wirklich, dann doch lieber gleich „If I Ruled The World“ (Nas). Auch Samples, einst Zitate, die es kenntnisreich zu entziffern und einzuordnen galt, haben heute eher einen musikalischen Wiedererkennungswert, der bestenfalls einen Top-ten-Hit garantiert. Das ist aber gar nicht so schlimm, wie es sich anhört, und außerdem nur zu verständlich. Schließlich wird alles immer komplizierter. Wer kann denn heute noch definieren, wo genau die Macht steht, geschweige denn schmissige Hits daraus basteln? Und die nimmer endende Party ist inzwischen sowieso zum Menschenrecht westlicher Prägung avanciert. Doch wenn alle Parties gefeiert sind, dann ist es wieder da, dieses nagende Bedürfnis nach dem Sinn, der Bedeutung und der Message.

Und hier kommt KRS-One ins Bild: „Der Mann, der zwischen allen verschiedenen Rap-Fangemeinden eine Brücke bauen konnte“, so die knappe Einschätzung von David Toop im Standardwerk „Rap-Attack“. Auch nach Deutschland führt eine dieser Brücken, über die ganz viele von denjenigen wandeln, denen HipHop sonst zu prollig ist. KRS-One ist nämlich der einzig übriggebliebene Rapper, der tonnenweise Inhalt über seine Zuhörerschaft ausschüttet, und das kommt an. KRS-One weiß alles: daß die Revolution demnächst im Fernsehen laufen wird, obwohl es sich um eine Revolution handelt, die sich nur in den Köpfen der Menschen abspielt. Daß die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Daß Gewalt gestoppt werden muß und man nicht betrunken Auto fahren sollte. Daß Kriminelle mit Respekt zu behandeln sind, aber nur Vegetarier und Nichtraucher die wirklich besseren Menschen sind. Daß viele andere MCs Sucker sind, weil sie nichts Substantielles zu sagen haben, er hingegen ein prima Leader ist. Daß er nicht nur die harten Wissenschaften studiert hat, sondern auch auf dem Gebiet der Metaphysik bestens bewandert ist.

Kein Problem, auf das KRS-One nicht eine Antwort weiß, was ziemlich irre ist in Zeiten wie diesen. Wenn er tatsächlich der Teacher ist, dann der Teacher of Widerspruch. Auch ein Grund dafür, daß es heute abend im Weddinger Alcatraz keine gerappte Vorlesung über den Zustand der Welt geben wird. Live ist KRS-One nämlich der B-Boy schlechthin, guter alter New Schooler der besten Sorte. Seine Konzerte sind ein Tribut an Sprayer, Breaker und Rapper. Mehr nicht, was wieder mal zu einigen enttäuschten Gesichtern im Publikum führen wird. Schließlich ist man doch gekommen, weil man sich insgeheim von einem Dialog auf seiner LP „By All Means Necessary“ besonders angesprochen fühlte: „So, you're a philosopher?“ – „Yes, I think very deeply.“ Heike Blümner

KRS-One heute abend im Alcatraz

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