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Dornenkrone und Pferdefuß

■ Der Ochsenfrosch Glenn Danzig bringt die Klischees durch die Hintertür

Eine der freudlosen Folgen politisch korrekter Gebote ist es, daß dadurch öffentliches Belachen körperlicher Mißgestalt völlig indiskutabel wurde. Satan sei Dank hat Glenn Danzig, dieser kleinwüchsige Ochsenfrosch, dieser komplexbeladenene, eitle Proll, dessen sorgfältig ondulierte schwarze Matte sich unter Transpirationseinwirkung in ein groteskes Bild fortgeschrittener Kahlköpfigkeit verwandelt, solch korrekte Rücksicht durch die eigene, bemerkenswert ausgeprägte Arschlochigkeit selbst außer Kraft gesetzt. Dabei war der Anfang so geil.

Als Danzig 1988 ihr titelloses Debut aus den Tiefen der Finsternis zwischen die bis dato weit getrennten Stühle von undergroundigem Punk und schmierigem Hardrock schoben, ging eine jener historisch bedeutsamen Zuckungen durch die musikalisch sensible Subkultur, wie sie alle Jahre wieder die Vorherrschaft inhaltlich orientierter, progressiver Kunst bricht. In monatelang anhaltender Begeisterung manifestierte sich das unterschwellig stete Verlangen nach reaktionär-konservativer Befriedigung, die durch die Hintertür, wo die Klischeekontrolle taub ist, eingetreten war. Nur so ist es zu erklären, daß dieser schweinöse Bluesrock mit der luziferischen Elvis-Reinkarnation nicht auf das Klientel der Bon Jovi-Spießer beschränkt blieb, sondern sensible junge Menschen bis zur Selbstaufgabe in seinen Bann zog.

Danzigs Empfehlungsschreiben war zu jener Zeit das Magna cum laude der Jugendkultur: Rick Rubin, Produzent von hartem Rap und Rock und Wegbereiter der Auflösung von Over- und Underground in einem zunächst befreienden Sinne. Der gute Glenn, selbst mit dem Gurkentrash der Misfits durch die szenisch edelnde Schule des Punk gegangen, nahm in diesem neuen Koordinatensystem die ebenso böse wie pubertär-faszinierende Rolle des wilden Wolf-Tenors ein und brachte der Punk-geprägten Welt den Hardrock auf einem mattschwarzen Tablett, nebst Büffelschädel. Durch mysteriöses Schweigen gegenüber der Presse hielt Danzigs außerkontextueller Kredit länger, als seine immergleichen Platten dies zugelassen hätten. Doch seitdem der verwirrte Giftzwerg sein belustigendes „evil“-Modell alljährlich auf Bühnen und in den Intellekt beleidigenden Statements nach außen kehrt, ist die Welt wieder in Ordnung und der Saal denen überlassen, die es nicht besser verdient haben.

Holger in't Veld

31. Mai, Docks, 21 Uhr

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