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Es wurde gegluckst

■ Thalia: Peter Handkes „Weissagung“ zur Freitag Nacht

„Die Faust wird wie die Faust aufs Auge passen.“ – „Das Gras wird wie Gras wachsen.“ Fürwahr wahre Aussagesätze enthält Peter Handkes frühes Stück Weissagung. Am Freitag zur späten Stunde im Mittelrangfoyer des Thalia-Theaters wurden sie verhalten vorgetragen, einer nach dem anderen, erst langsam, dann schneller, mal gleichzeitig, auch abgebrochen oder im Kanon rezitiert.

„Das Gras wird wie das Gras wachsen.“ Das eingeschränkte Sätzerepertoire wird wiederholt, gebrochen und variiert, die Mittel der Dynamik verweigert und durch streng formalistische Nonsens-Aussagen ersetzt: „Die anderen werden wie die anderen sei“, wie Handke es selbst benennt, etwas altklug eben. 1966 entstanden, erscheint die Weissagung als Kind ihrer Zeit, aber auch heute trifft sie noch den Zeitgeist. Was damals Verweigerung war – das Stück Publikumsbeschimpfung gehörte ebenfalls zu diesem Zyklus – ist heute Zustandsbeschreibung: Alles ist bereits gesagt, also sagt man es, mit kleinen Variationen, noch mal.

Diese Wortpartitur hat ihre eigene Dramaturgie, nämlich die der Monotonie. Und da wird es immer wieder spannend. „Das Gras wird wie das Gras wachsen.“ Wie lange ist die Monotonie auszuhalten? Und was ruft sie hervor? Man kann abbrechen, indem man geht (dann bekommt man aber das Ende nicht mit). Man könnte schimpfen und streiten über einen solchen Aufbau (aber das sind wir braves Publikum nicht gewöhnt). Oder – und das ist jedem noch aus langweiligen Schulstunden bekannt – man muß lachen. Im Publikum hatte es bereits recht früh kleine Kicherausbrüche gegeben, später gluckste es dann auch bei den Schauspielern.

Lachen also, ein entkrampfendes, aber die Spannung blieb bis zuletzt, allerdings nicht die dramatische, sondern die „An“-spannung. Das Ende der Vorstellung: lachende Schauspieler und erleichtert applaudierendes Publikum. Die Entspannung: hastiges Verlassen des Theaters. Micheala Pens

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