Soziale Feuerwehr macht weiter

■ SPD, GAL und CDU wollen Armutsbekämpfungsprogramm nach der Wahl fortsetzen. Positive Bilanz nach drei Jahren

Das Programm wird fortgesetzt. Es ist und bleibt Herzensangelegenheit der SPD-Fraktion.“Deren Abgeordneter Peter Backer ließ keinerlei Zweifel zu. Das 1995 gestartete Hamburger „Armutsbekämpfungsprogramm“mit seinen sorgsam über die ganze Stadt gestreuten Pilotgebieten St. Georg, St. Pauli-Nord, Altona-Nord, Eidelstedt-Nord, Dulsberg, Jenfeld, Bergedorf-West und Heimfeld Nord wird auch nach der Wahl fortgesetzt. Auch die CDU-Politikerin Antje Blumenthal, sie will das Programm freilich zentralisieren, und GAL-Sozialexpertin Anna Bruns, die sich vehement für eine Ausweitung und Aufstockung einsetzte, gaben grünes Licht. Und die gut 100 ArmutsbekämpferInnen konnten sich auf der Fachtagung zur „Kommunalen Arbeitsbekämpfung in der Zweidrittel-Gesellschaft“beruhigt zurücklehnen.

Auf Einladung des CVJM und des Diakonischen Werkes hatten am Mittwoch einen ganzen Tag lang Experten und Praktiker eine Bilanz des ursprünglich auf drei Jahre – bis Ende 1997 – begrenzten Programms gezogen. Dessen Grundgedanke war eine völlig neue Stadtteilentwicklungsstrategie: Ge-meinsam mit den Betroffenen und den Bezirken, moderiert von eigenständigen „Projektentwicklern“, sollten Projekte für Wohnen, Arbeiten und Leben im Stadtteil entwickelt werden. Sozialpolitik von unten, vernetzt mit „lokalen Akteuren“, vom Pastor bis zum Punk, vom Immobilienhai bis zur Mieter-Ini, von der alleinerziehenden Mutter bis zum Möbeltischler, sollte die bisherigen obrigkeitlichen Beglückungsstrategien ersetzen.

Alle Behörden wurden verpflichtet, sich auch finanziell an den Projekten zu beteiligen. Die bescheidenen 10 Millionen Mark Jahresetat des Programms rechtfertigte die federführende Stadtentwicklungsbehörde (Steb) mit dem Hinweis, es gehe um Initialzündungen, nicht um die Dauerfinanzierung von Maßnahmen.

Die Bilanz der Fachtagung fiel sehr selbstkritisch aus. Zwar hat sich die Idee auch im Nachhinein als richtig erwiesen. Allen voran die Hamburger Behörden zeigten sich aber damit überfordert. Die Mahnung eines frühen Skeptikers, eigentlich bedürfe es zu einer erfolgreichen Umsetzung einer „Verwaltungsrevolution“, hat sich weitgehend bewahrheitet. Streitereien zwischen den Fachbehörden, bei denen insbesondere die Baubehörde und die Sozialbehörde gegen die Steb kämpften, der sie ihre neue Spielwiese neideten, und Ärger mit den Bezirken, die mit dem neuen Gewusel vor Ort nicht zurecht kamen, prägen in den meisten Pilotgebieten das Bild. So wurden aktivierte BewohnerInnen, Initiativen und neugebildete Stadtteilforen oft schnell frustriert, weil ihre Projektvorschläge im Behördenchaos verschwanden.

Aber auch Inis und Sozialarbeiter, die sich mit der bisherigen ABM- und Förderpolitik wohlig eingerichtet hatten, taten sich oft schwer, die Chancen des neuen Ansatzes für sich zu entdecken. Das Ergebnis: In den ersten beiden Jahren kam kaum ein Projekt zustande, erst jetzt beginnt sich so langsam der Strauß von Maßnahmen zu entfalten.

Vom Kindermuseum bis zum Mieterpavillon, von der Stadtteilzeitung bis zur Arbeitsagentur, vom Frauenservicezentrum bis zum Gewerbehof – viele kleine Projekte könnten schon bald die Bedingungen für Leben, Wohnen, Arbeiten, Kultur und Bildung in den Stadtteilen schrittweise verbessern.

Zumeist fiel allerdings die angestrebte Vernetzung mit der städtischen Wirtschaftspolitik, die Einbeziehung von Banken und Gewerbe, unter den Tisch. Die bisherige Bilanz des Programms ist mit insgesamt acht neuen Plätzen im „ersten Arbeitsmarkt“, gerade was Arbeitsplätze belangt, denn auch überaus bescheiden.

Allerdings, so zeigte die Tagung, der vielleicht wichtigste Erfolg des Programms war der Erfahrungsgewinn bei allen Beteiligten. Malte Krugmann von der Senatskanzlei kündigte gegenüber der taz für eine Neuauflage des Programms nach der Wahl Verbesserungen und Erweiterungen an: Die Projektgebiete sollen deutlich ausgedehnt und die Projektentwickler zu wirklichen Stadtteilmanagern aufgewertet werden, die per öffentlicher Ausschreibung gewonnen werden sollen. Zudem soll das Revitalisierungsprogramm mit dem Armutsbekämpfungsprogramm gekoppelt und der Maßnahmenbereich in Richtung Gesundheit und Umwelt ausgeweitet werden.

Ganz in diesem Sinne wünschte sich Anna Bruns denn auch für die Zukunft einen Sieg dieser „modernen Sozialpolitik“über traditionelle Sozial- und Wirtschaftspolitik. Ihre Hoffnung: „Das Ferment einer modernen Stadtentwicklung wird zum bestimmenden Faktor einer Politik des sozialen Raums für Hamburg.“ Florian Marten