Wohin mit den Pillen?

■ Wer die Entsorgung alter Medikamente bezahlen soll, ist umstritten. BSR, Apothekerkammer und der Entsorgungsdienstleister Remedica testen ein Modell

Im kleinen Schränkchen an der Wand lagern sie – meist jahrelang. Gelegentlich bekommen sie Zuwachs. Und manchmal ist es notwendig, dort Ordnung zu schaffen. Die Rede ist von angebrochenen Schachteln, Tuben und Fläschchen, die Reste von Arzneimitteln enthalten, deren Verfallsdatum überschritten ist. Wohin damit? „Bei Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Ein gutgemeinter Ratschlag, aber in diesem Fall gibt der Beipackzettel nichts an Informationen her.

Die nächstgelegene Apotheke ist bereit, die mitgebrachten Behältnisse samt Inhalt zu entsorgen. Damit ist das Problem für den Verbraucher erst einmal aus der Welt. Was passiert mit den ungeliebten Altarzneimitteln, und wer ist verantwortlich für deren Entsorgung? Bis 1993 haben die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) kostenlos Altarzneimittel getrennt vom restlichen Hausmüll von den Apotheken abgeholt. Diese wurden verbrannt oder auf Deponien gebracht.

„Medikamente sind nicht besonders überwachungsbedürftige Abfälle“, erklärt Beate Stoffers , Mitarbeiterin der Pressestelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie. „Sie haben einen ganz normalen Abfallschlüssel und müssen somit nicht gesondert entsorgt werden.“ Kein Wunder also, daß immer noch Medikamente in den Hausmüll wandern. Sie belasten die Umwelt und können die Gesundheit gefährden: Auf den Deponien gelangen die Wirkstoffe in das Grundwasser, im Hausmüll lagern sie ungeschützt.

„Den Hausmüll von bedenklichen Stoffen zu entfrachten“, erläutert Fritz Pressel, Geschäftsstellenleiter „Sonderabfallwirtschaft“ von der BSR, „muß ein Hauptanliegen bei der Abfallentsorgung sein. Aber die Kosten für die gesonderte Entsorgung von Altarzneimitteln über die Apotheken konnte die BSR nicht mehr allein tragen.“ Die Apotheken sollten sich mit einem Kostenbeitrag von acht Mark pro Müllsack an diesem Verfahren beteiligen. Von seiten der Apotheken und der Apothekenkammer sah man das nicht ein. „So wurde 1993 diese Verfahrensweise von der BSR aufgekündigt“, erklärt Uwe Carsten Winkel, Mitarbeiter der Apothekerkammer Berlin. Durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie wurde festgelegt, bis zum Zeitpunkt der Vorlage eines geeigneten Konzepts die Entsorgung wieder über die Hausmülltonne zu realisieren.

„Eine Pflicht, Altarzneimittel von den Verbrauchern anzunehmen, besteht für die Apotheken nicht. Die BSR hat die Entsorgungspflicht“, sagt Uwe Carsten Winkel. Von der BSR und der Senatsverwaltung hört man, daß die Apotheken sich an der Entsorgung beteiligen müssen.

Ginge es nach dem Verursacherprinzip, wie es die Verpackungsverordnung für die Hersteller und den Handel vorsieht, würde die pharmazeutische Industrie zur Kasse gebeten.

Inzwischen haben sich die Apothekerkammer Berlin, die BSR und die Kölner Firma Remedica an einen Tisch gesetzt und miteinander verhandelt. Remedica, eine Entsorgungsdienstleistung der Vereinigung für Wertstoffrecycling GmbH, hat sich auf die Antsorgung von Altarzneimitteln bundesweit spezialisiert.

Derzeit fährt Remedica einmal im Quartal einen Teil der Berliner Apotheken ab. Aus den vorsortierten Altarzneimittelsäcken werden die Wertstoffe Glas und Papier recycelt. Die eigentlichen Reste an Arzneimitteln kommen zur Verbrennungsanlage. Die Kosten für diese Entsorgungsmöglichkeit trägt die pharmazeutische Industrie.

Die BSR ihrerseits hat das Netz von mobilen und stationären Sammelstellen für die Annahme von Sonderabfällen in den letzten Jahren ausgebaut. Neben den beiden bestehenden festen Annahmestellen in Ruhleben und Britz werden zwei neue Sammelstellen in Prenzlauer Berg und Marzahn eingerichtet. Seit September 1995 ist das erste Schadstoffmobil der BSR in vier Berliner Bezirken unterwegs. Mittlerweile sind fünf Mobile im Einsatz (siehe Kasten). Damit werden alle Bezirke mit diesem Service versorgt. So können die Verbraucher bequem und kostenlos Schadstoffe aus dem Haushalt – auch ihre Arzneimittelreste –, bis zu 20 Kilo, umweltgerecht entsorgen.

Die beste Lösung des Abfallproblems ist aber immer noch die Vermeidung. Die zweitbeste Lösung ist erst die Verwertung. KD