■ Die aktuelle Wiederholung
: Das Prinzip Feierabend

„So isses“, So., 23.54 Uhr, Hessen

Wo hat der Mann nur diese Hemden her? In den scheußlichsten Muster umschmiegen sie seinen Bierbauch, manchmal Karo, oft Hawaii. Jürgen von der Lippes Garderobe signalisiert: auch in der Fernsehunterhaltung kommt es auf die inneren Werte an, denn nur ehrliche Haut rules okay.

Und deswegen darf der Showmaster aus Bad Salzuflen auch einen Vollbart tragen, der aussieht wie das Gezuppel am Kinn vieler Polizisten. Doch auch die werden ja locker, wenn sie erst einmal Feierabend haben und an der Kellerbar das erste Sixpack köpfen.

Bei Jürgen von der Lippe ist praktisch schon immer Feierabend gwesen. Im „WWF-Club“ und später noch viel mehr bei „So isses“ wirkte er stets so, als ginge er tagsüber einem richtigen Job nach und verzöge sich nur abends zum Fernsehmachen in den Hobbykeller, wo er es sich zwischen ein paar Holzregalen und einer durchgessenen Couch bequem gemacht hat. Auf die lud er sich Mitte der achtziger Jahre so einiges an Spinnern und Langweilern, wie es ja später überall Mode wurde. Nur das von der Lippes Interesse an den Dönekes seiner Gäste womöglich echt war.

Bei „So isses“ war der Humor bestenfalls zotig, die Basteleien in der Leserpost von bedenklichem Aufwand, der Pausenclown Gerd Dudenhöffer so peinlich wie heute, nur nicht so gut bezahlt. Und der Günni genannte Freak an der Handycam nahm die Zappelbilder von MTV schon mal vorweg.

Trotz seiner kleinbürgerlichen Fassade neigte von der Lippe von Anfang an zu ein bißchen Exzentrik. Mal benannte er sich nach seinem Heimatfluß, mal heiratete er eine Frau namens Schreinemakers, und mal heimste er mit strafwürdigen Karnevalsliedern goldene Schallplatten ein: „Guten Morgen, liebe Sorgen“ sang er, als er längst keine mehr hatte. Denn mit „So isses“ erzielte der ehemalige Bruder Blattschuß die höchsten Einschaltquoten, die je im Dritten Programm gemessen wurden, so daß ihn die ARD von 1986 mit Sendeplätzen der Handelsklasse eins versorgte. Auch in „Donnerlippchen“ oder „Geld oder Liebe“ blieb er der Anwalt jener Kategorie kleiner Leute, die nie daran gezweifelt haben, daß ein paar Kästen Bier und eine Stimmungs-LP zusammen schon eine Party ergeben. Und davon gibt es in Deutschland ziemlich viele. Oliver Gehrs