Reis & Shine

Ein Besuch bei den Herren Li und Wang anläßlich Harald Schmidts Vierzigstem  ■ Von Benjamin v. Stuckrad-Barre

Das Elend des Kölner Rings legt sich schwer und alternativlos aufs Gemüt. Eine breite, laute Straße, Spielothek an Friseur an Autohaus, Restaurant, Teppichladen, Hundekacke, Stromkasten. Und wieder Spielhalle. Baugerüst, Achtung, Gebrauchtwagen. Warum scheint eigentlich die Sonne? Weil Sommer ist. Und deshalb ist Sommerpause bei der „Harald Schmidt Show“.

Sommer, Sonne, aber kein Sat.1. Gerade so, als gäbe es auf Mallorca keine Fernseher. Im Sommer verödet die Unterhaltung endgültig, die Anstalten wiederholen sich und anderes. Das WDR- Fernsehen stellt die Zuschauer vor die groteske Wahl zwischen den „Supernasen“ und „In einem Zug durch Ecuador“. Dann doch lieber Sangria in einem Zug.

Sat.1 begnügt sich in der schmidtlosen Zeit mit Stephen- King-Verfilmungen: die dicken Bücher von Landau. Am ehemaligen Kino Capitol trägt „Feldbusch Gerüstbau“ zur Fassadenerhaltung bei. Hier also wird sich schlecht auf schlechte Gäste vorbereitet und auch darüber hinaus alles richtig gemacht. Der türkische Chauffeur „Ützgür“ sagt „Scheeefffeee“ und zieht die Mütze, Helmut Zerleth lacht und tuscht mit seiner Band, und Harald Schmidt schwebt zwischen Bunte, FAZ, Riverboat und komplettem Wahnsinn, hat alles im Fernsehen gesehen, alles gelesen und alles verstanden. Das Restleben von Harald Schmidt möchte man sich lieber nicht vorstellen.

Die Sommerpause dürfte ihm die größte Pein sein. Wohin mit sich? Nach Mallorca, weiß die Bunte, wo er im letzten Jahr Barbara Eligmann traf. Verwaist indes die heilige Halle; fest und treu steht nur die Wacht am Reis, Mister Li und Mister Wang. Die beiden verqueren Chinesen, die für Schmidt lächelnd und kryptisch die „Weisheiten des Konfuzius“ verkünden. Ein großer dünner und ein kleiner rundlicher Kellner aus dem Chinarestaurant verhackstücken deutsche Gemeingutwendungen der Gattung „Einer geht noch, einer geht noch rein.“ Der kleine Dicke sagt „Konfuzius sagt“, und der große Dünne grinst und bleckt die krummen Zähne und singt und spricht falsch, scheitert nicht nur, aber verläßlich eben auch am „R“ und an der Betonung sowieso. So viele Klischees kommen hier zusammen, da ist eine Miteinbeziehung in die Show natürlich unumgänglich gewesen. Das Restaurant „Mandarin“, in dem die beiden hauptberuflich dem Servieren nachgehen, steht in Quasi-Nachbarschaft zum Capitol am Kölner Ring. Und so, wie man es sich vorstellt, wird es wohl auch stattgefunden haben: Ein angemessen zynischer Mitarbeiter der Produktionsfirma wird beim wiederholten Abendessen einfach aufgemerkt und den fließenden Sprachbrei begierig in Verwertungsmechanismen überführt haben. Hauptsache, sie begreifen das nicht, und wir verstehen sie nicht. Schon ist es witzig. Ist es ja auch.

Dabei wollten sie zuerst gar nicht mitmachen, „lieber ruhig bleiben, den Lebensjob weitermachen“.

Doch als dann ihr Chef („ist ein Geschäftsmann“) von den Plänen erfuhr, drängte er sie begeistert zum Mitmachen, und fortan waren Mister Li und Mister Wang in lelativer Legelmäßigkeit Freakshowteilnehmer.

Das Verstehverhältnis ihrerseits sei „so 50 zu 50 in etwa“, sagt Herr Wang, und Herr Li hat die Formel parat: „Es ist nur Natur und Quatsch.“ Beide wissen nicht genau, warum, aber wenn die Leute lachen, ist wohl alles in Ordnung. Daß die Lacher xenophob, gar rassistisch motiviert sein könnten, glauben Herr Li und Herr Wang nicht. „Hier alles positiv“, sagen sie und meinen damit die vielen Besucher, die nach der Show, vor der Show und während der Show ins Restaurant kommen und eigentlich nichts anderes wollen als das Fernsehen anfassen. Der Laden brummt.

Und wenn Herr Li ausladend und weitestgehend unverständlich über „verschiedene Lichter“ und „Bühnen wie Wasserwaagen“ doziert, ist das tatsächlich sehr unterhaltsam und genau wie im Fernsehen. Die langen Sätze müsse immer er sprechen, da ja Herr Wang besser Deutsch könne. Ja aber – nix aber. Hier wird niemand vorgeführt, hier wird nur aufgeführt. Herr Wang holt derweil einen großen Umschlag mit Kritiken und Fanpost hervor. Urlaubskarten von Fans, sogar aus Südafrika. Und hier unsere CD-ROM. Pflaumenschnaps aus Haus. Smeckteguuut?

Herr Wang kann Sat.1 gar nicht empfangen, aber er macht den Spaß mit und muß auch immer nur „Konfuzius sagt“ sagen. Wenn er Harald Schmidt sagt, klingt das wie „Haschisch“. Und Haschisch sei groß und elegant und ein Gentleman, der beste einfach. Ützgür kennen sie auch. Ob der tatsächlich Türke ist oder doch Italiener? Weißenischte. „Wir sind alle ein bißchen komisch, das ist Prinzip von Haschisch.“ Und dann dreht doch noch ein Gast durch, hält es „im Kopf nicht aus“. Tatsächlich, es sind die beiden, ich fass' es nicht. Nimmt sein Telefon aus dem Halfter, ruft seine Mutter im Krankenhaus an, hält das Telefon hysterisch Herrn Wang entgegen. Mister Wang soll irgendwas sagen. Und Mister Wang sagt irgendwas.