■ Nebensachen aus Buenos Aires
: Die Hygiene ist Wurst

An der Straßenecke der breiten Avenida Santa Fe und der Julian-Alvarez-Straße steht einer von gut 400 ambulanten Panchoständen, eine Art Würstchenbude. Auf einem schiebbaren Wagen werden den ganzen Tag etwa 20 Zentimeter lange Würstchen gekocht.

Die Panchos schwimmen in einer öligen Wassersuppe, bis sie von einem Käufer erlöst werden. Das Würstchen, das nur einen Dollar kostet, wird in ein trockenes und geschmackloses Brötchen gepackt. Je nach Wunsch kann man sich noch Senf, Mayonnaise oder Ketchup draufkippen, oder aber auch alles zusammen.

Jetzt soll es den Panchohändlern an den Kragen gehen. Denn mindestens zwanzig Prozent der Stände entsprechen nicht den hygienischen Standards. Mehrere Pancho-Esser berichteten, daß sie nach dem Verzehr eines Würstchens ihren Kopf die ganze Nacht nicht mehr aus der Kloschüssel bekommen haben. Daher ziehen derzeit täglich Kontrolleure der städtischen Gesundheitsbehörde los, um auf verschmutzte Panchostände Jagd zu machen.

Doch ihre Arbeit wird durch eine gute Organisationsstruktur der Panchobudenbesitzer erschwert. „Wenn wir unser Büro verlassen, um auf Kontrollgang zu gehen, stehen Leute mit Handy und Funkgerät an der nächsten Ecke, um weiterzumelden, wohin wir gefahren sind“, beschwert sich Jorge Schmidt von der Generaldirektion der Polizei in Buenos Aires. „Danach verfolgen sie uns mit Mofas, Fahrrädern oder zu Fuß, um die Stände, die wir kontrollieren wollen, vorzuwarnen.“ Und wenn Schmidt und seine Kollegen dann am gewünschten Stand ankommen, ist der oft schon nicht mehr da. Die Händler sind den Kontrolleuren meist schon um einige Straßenecken voraus und schieben ihren Karren in Sicherheit.

Für die Budenbesitzer lohnt sich das Geschäft. Ein Stand im Zentrum kann bis zu 1.000 Dollar pro Tag umsetzen. Für den angestellten Verkäufer fallen davon knapp 20 bis 25 Dollar pro Tag ab. Ein Besitzer, der 20 Stände hat, so rechnet die Tageszeitung Clarin vor, kann pro Monat bis zu 80.000 Dollar einstreichen.

Der Bürgermeister von Buenos Aires, Fernando de la Rua, ist sich sicher: Die Organisationen, die die Panchostände kontrollieren, „haben ähnliche Strukturen wie die Mafia“. Nicht selten werden die Kontrolleure auch bedroht. Vor einigen Monaten war alles noch anders, da wurden die Hygienekontrolleure von den Händlern mit einem Trinkgeld von 15 Dollar pro Besuch empfangen und der Stand war sauber. Doch jetzt wechseln die Kontrolleure täglich das Stadtgebiet. Kontakte zu den Händlern bleiben aus.

Bemängelt wird von den Kontrolleuren, daß es an vielen Ständen kein fließendes Wasser gibt und die Würstchen darum den ganzen Tag im selben Wasser schwimmen. Auch haben die Buden meist keinen Kühlschrank, und im Sommer werden die Würste dann bei einer Außentemperatur von 30 Grad ausreichend vorgewärmt, bevor sie in das nicht mehr kochende Wasser geworfen werden. Gerade an den starkbefahrenen achtspurigen Avenidas fährt an den Ständen alle paar Sekunden ein Linienbus vorbei. Die Brote liegen dann in der Regel unverpackt herum, und an der Mayonnaisetube kleben kleine schwarze Rußpartikel. Ingo Malcher