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Tausche Haarschnitt gegen Kirschmarmelade

■ Lokale Tauschringe stärken den Gemeinsinn und bekämpfen die Armut

Dublin (taz) – Wer im britischen Städtchen Stroud lebt, wickelt nicht alle Geschäfte in Pfund und Pence ab – oft läßt er sich für einen Haarschnitt oder eine Tasse Kaffee einfach in der lokalen Währung „Strouds“ anschreiben. Ein rein ideelles Geld, für das er dann später selber etwas anbieten muß, vielleicht selbstgemachte Marmelade oder eine Fernsehreparatur. Denn Strouds ist eine von 35 britischen Städten, die ein lokales Tauschhandelssystem eingeführt haben (LETS).

Die Idee des Tauschhandels ist eine besonders radikale Umsetzung der Genossenschaftsidee, die auch private Leistungen handelbar macht. Der Eigeninitiative sind keine Grenzen gesetzt: Dienstleistungen wie Kinderhüten, Tapezieren und Chauffieren sind ebenso gefragt wie Biogemüse oder Töpferwaren. Neulinge erhalten ein Scheckbuch und die Angebotsliste, damit sie sofort nach Herzenslust einkaufen können. Vor Schnorrern soll soziale Kontrolle schützen: Am Monatsende erhält jeder Teilnehmer nicht nur seinen eigenen Kontostand, sondern auch den der anderen LETS- Teilnehmer. „Der schlimmste Fall wäre, wenn viele Leute hohe Defizite anhäuften, das nähme anderen die Motivation“, sagt LETS-Aktivistin Sandra Bruce. „Das ist bisher noch nicht passiert.“

In Stroud nehmen mehr als 200 Leute am Tauschhandel teil. In Mills Café können die Kunden die Hälfte der Rechnung mit „Strouds“ bezahlen. Sie zahlt die Löhne ihrer Angestellten zu zehn Prozent in „Strouds“. Das Gemüse für ihr Restaurant kauft sie bei Helen Brent-Smith, einer Psychologin und Hobbygärtnerin, die ebenfalls zu 50 Prozent „Strouds“ als Bezahlung annimmt – allerdings nur für das Gemüse.

Die Idee für den systematischen Tauschhandel ist Anfang der achtziger Jahre in Kanada entstanden und hat sich auch in Australien und den USA verbreitet. Der Tauschhandel, so argumentieren seine Befürworter, fördert Selbstvertrauen und Gemeinsinn, versteckte Fertigkeiten und lokale Produkte. Außerdem sorge er dafür, daß defekte Gegenstände nicht gleich in der Mülltonne landen, sondern repariert werden.

„Diese informelle Wirtschaft kehrt die allgemeine Verschiebung des Reichtums von armen in reiche Gebiete um“, sagt Liz Shepard vom Warminster-LETS. „Bei einem Einheitsmarkt sind kleine Gemeinden besonders verwundbar. Die Fertigkeiten vor Ort rosten, und die Menschen fühlen sich nutzlos.“ Träumt sie von einer landesweiten Ausdehnung des LETS- Systems? „Um Gottes willen“, sagt sie. „Dann wären wir wieder genau dort, wo wir jetzt sind: Der Reichtum würde dann von einem zentralen Machtblock abgeschöpft. Wir wollen lieber ein LETS in jedem Dorf – small is beautiful.“ Ralf Sotscheck

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