Hundert Tage für eine weiblichere Welt

■ Während der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover soll die erste moderne Frauenuniversität auf deutschem Boden 100 Tage lang konkrete Antworten auf drängende ökonomische, ökologische und soziale Frag

Hundert Tage für eine weiblichere Welt

„100 Tage für 100 Jahre“ lautet das Motto für die im Jahr 2000 in Hannover geplante internationale Frauenuniversität. 100 bis 150 Wissenschaftlerinnen aus aller Welt sollen während der Weltausstellung Expo mit etwa tausend Frauen höheren Semesters oder mit bereits vorhandenem Studienabschluß interdisziplinär zusammenarbeiten und eine ganz neue Qualität an Forschung und Lehre hervorbringen.

So erträumen es sich einige der Initiatorinnen, andere warnen vor „überzogenen Erwartungen“. Eine neue Qualität erhält das Projekt aber schon allein durch den Adelstitel, die erste moderne Frauenuniversität auf deutschem Boden zu sein. Zwei nur kurzzeitig existierende Hochschulen für Erzieherinnen in Hamburg und Leipzig wurden bereits 1850 beziehungsweise 1911 gegründet.

Der Welt zu zeigen, daß die Wissenschaft von Frauen dreifach „in“ ist – innovativ, interdisziplinär, international –, das ist das ehrgeizige Ziel der Initiatorinnen. Weil „bislang nicht erkennbar“ sei, inwieweit „die besondere Sichtweise von Frauen auf die Probleme dieser Welt“ auf der Expo thematisiert wird, soll auf der parallel laufenden Frauenuni debattiert werden, wie die weltweiten Probleme im Geiste der UN-Gipfel von Rio und Peking gelöst werden können. In sieben Projektbereichen – Körper, Intelligenz, Information, Wasser, Stadt, Arbeit, Migration – sollen konkrete Antworten auf drängende ökonomische, ökologische und soziale Fragen gefunden werden. Die Teilnehmerinnen werden nach den bisherigen Vorstellungen der Initiatorinnen per internationalen Aufruf in allen Kontinenten ausgesucht.

Die erforderlichen Gelder für das Projekt – schätzungsweise 12 Millionen Mark – will der Trägerverein, der sich am 1. Juli in Hannover gegründet hat, auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene zusammenbringen. Zu den Gründungsmüttern des Vereins gehören unter anderem Rita Süssmuth, Alice Schwarzer, Carol Hagemann- White, Ilse Lenz, Ursula Engelen- Kefer, die niedersächsische Wissenschaftsministerin Helga Schuchardt und andere Landesministerinnen. Zur Vorsitzenden des Vereins wurde die Professorin und ehemalige Vizepräsidentin der Gesamthochschule Kassel, AylÛ Neusel, gekürt. Sie hat das Projekt Frauenuni seit zehn Jahren in diversen Bildungs- und Frauengremien zu pushen versucht, zuletzt in der zweiten Niedersächsischen Frauenforschungskommission (siehe Interview).

Neusel und ihre Mitstreiterinnen verweisen gern auf die vorwiegend positiven Erfahrungen, die die Absolventinnen von Frauencolleges in den USA gemacht haben (siehe Artikel unten). Auch in Deutschland ist die Geschlechtertrennung an den Universitäten unabhängig von den Aktivitäten des Trägervereins immer mehr im Kommen. In Karlsruhe wurde jüngst ein Rechnerraum nur für Frauen eingerichtet, und an der Fachhochschule Wilhelmshaven werden für das Ende September beginnende Wintersemester 40 Studienplätze im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen exklusiv an Frauen vergeben. Nach Auskunft einer Sprecherin erhielt die Fachhochschule daraufhin doppelt so viele Anfragen von Studienbewerberinnen wie normalerweise.

Kontakt zum Trägerverein „Internationale Frauenuniversität“ über die Pressestelle des niedersächsischen Wissenschaftsministeriums, Postfach 261, 30002 Hannover, Fax: (0511) 120 2393

Bewerbungen an der FHS Wilhelmshaven sind noch bis 22. September möglich: Postfach 1465, 26354 Wilhelmshaven

Die Universitäten Dortmund und Bielefeld veranstalten vom 18. August bis zum 6. September eine Sommerakademie unter dem Motto: „Neues Terrain gewinnen – alte Grenzen verschieben. Feministische Interventionen in Kultur und Gesellschaft“