■ Die aktuelle Wiederholung
: Das ozeanische Gefühl

Im Fernsehen wimmelt es von Wiederholungen. Guter Anlaß für ein kritisches oder sentimentales Wiedersehen. Heute:

„Flipper“, 15.55 Uhr, RTL2

Es war eine magische Zeit. Jeden Sonntag nach dem schweren Mittagessen legten sich meine Eltern schlafen und befahlen auch mir, müde zu sein. Es bereitete mir unendliche Mühe, geräuschlos das Wohnzimmer rechtzeitig um 14 Uhr zu erreichen. Das schaffte ich nicht immer, doch wenn es gelang, öffnete sich die triste Eschborner Enge zur strahlenden Bucht von Correl Key. Träume wurden wahr.

Den Anfang habe ich aufgrund des schwierigen Timings oft verpaßt. Bevor sich das leicht verschneite Schwarzweißbild zwischen Chianti-Tropfkerzen und venezianischen Gondeln endlich aufgebaut hatte, hörte ich schon das Knattern von Porter Ricks weißem Boot, das ich immer bewundert habe, weil es keine Spitze hatte. Der Porter schaltete den Motor ab und griff zum Feldstecher. „Sandy! Bud!“, rief er. Die beiden Söhne spielten unbeaufsichtigt auf einer Sandbank und winkten fröhlich. „Wo ist Flipper?“ „Ich weiß nicht, wo Flipper ist“, sagte Bud. „Wir müssen ihn suchen“, sagte der Porter ernst.

Bud griff dann immer zu einer Art Fahrradhupe und erzeugte unter Wasser ein metallisches Geräusch („rruuuub, rruuuub“), das den Delphin anlockte. Die Unterwasserkamera zeigte, wie er angeschossen kam, schnatternd wie ein Marktweib. Bei der gegenwärtig plakatierten Philipp-Morris-Reklame taucht er zwischen den lasziv gespreizten Schenkeln einer Dame auf, um die Raucher daran zu erinnern, daß ihr Glimmstengel ein Fetisch ist. Das ist Flipper, der Phallus der Mutter. „Jeder kennt ihn, den klugen Delphin.“

Er steckte seine Nase gerne in Schlaufen und zog Boote hinter sich her. In fast jeder Folge sagte ein Bösewicht „Fisch“ zu Flipper und wurde darauf von Bud wütend belehrt, er sei ein Säugetier. Der unverheiratete Porter Ricks und seine beiden Söhne vermittelten das ozeanische Gefühl. Am Ende lag Flipper erschlafft am Strand und pfiff aus dem letzten Loch. „Flipper, du darfst nicht sterben“, heulte Bud. Der Porter griff zum Funkgerät: „WD598, bitte kommen...“ Manfred Riepe