: New York Cops jagen New York Cops
■ Nach Foltervorwürfen ermitteln 700 New Yorker Polizisten gegen die eigenen Kollegen. Schuldige sollen entlassen werden. Die Kriminalitätsrate ist zwar gesunken, dafür nehmen die Beschwerden über aggressive Polizeibeamte zu
Washington (taz) – Das Maß ist voll. New Yorks Bürger sind nicht mehr bereit, die Nebenwirkungen jener aggressiven Polizeistrategie in Kauf zu nehmen, die für die Senkung der Verbrechensrate in der Stadt verantwortlich sein soll. Polizeipräsident Howard Safir hat am Sonntag sämtliche 700 Ermittler der Internal-Affairs-Abteilung der New Yorker Polizei auf den Fall des mißhandelten Haitianers Abner Louima angesetzt. Das ist jene Abteilung, die New Yorks Polizei selbst überwacht. New Yorks Bürgermeister Rudolph Giuliani, der sonst keinen Hehl daraus macht, daß er bei Anzeigen gegen die Polizei grundsätzlich nach dem Prinzip „im Zweifel für die Polizei“ verfährt, kündigte eine gründliche Untersuchung an. Zwei Beamte wurden inzwischen festgenommen, 13 vom aktiven Dienst suspendiert. Zwei Polizisten haben inzwischen die Mauer des Schweigens durchbrochen und sich als Zeugen gegen die Angeschuldigten gemeldet. Die Polizeiführung hat zugesagt, daß alle Beamten, die an der Tat beteiligt waren, von ihr gewußt haben oder aufgrund ihrer Position von ihr hätten wissen müssen, entlassen werden.
Wie berichtet war Abner Louima, ein Einwanderer aus Haiti, am 9. August nach einem Konzert in Brooklyn beim Versuch festgenommen worden, einen Streit zu schlichten. Auf der Wache wurde er in ein Badezimmer geschleppt, entkleidet und gefoltert: Polizisten stießen einen Holzstil in After und Mund. Mit Darm und Blasenverletzungen sowie herausgebrochenen Zähnen kam der Mann ins Krankenhaus.
Am Samstag kam es gleich zu zwei Demonstrationen vor dem 71. Polizeirevier in Brooklyn, eine wurde von der Haitianischen Gemeinde, die zweite von Al Sharpton angeführt, dem demokratischen Gegenkandidaten Rudolph Giulianis bei den in diesem Herbst anstehenden Bürgermeisterwahlen in New York. Der Fall ist zur Munition in einem Wahlkampf geworden, in dem die in New York spektakulär gesunkene Verbrechensrate ein zentrales Thema wird.
Daß der Rückgang von Raub und Mord nicht nur das Ergebnis einer offensiveren Polizeistrategie ist und der Preis für das aggressivere Vorgehen der Beamten zu hoch ist, haben Bürgerrechtsorganisationen schon lange geltend gemacht. Amnesty international legte im letzten Jahr ein Dossier mit 90 Fällen von Mißhandlung und Tötung durch die New Yorker Polizei vor. Erst jetzt hat die Polizeiführung zugesagt, die Informationen einer erneuten Nachprüfung zu unterziehen.
Das Center for Constitutional Rights (CCR), eine New Yorker Anwaltsvereinigung und Bürgerrechtsorganisation, hatte im April dieses Jahres am Hunter College ein Seminar über Polizeibrutalität im ganzen Land abgehalten und dabei Forderungen aufgestellt, die jetzt ein Echo in der New Yorker Presse finden: Die Hälfte der uniformierten Beamten New Yorks lebt in den Vorstädten. Während 61 Prozent der Bevölkerung New Yorks Angehörige einer Minderheitengruppe sind (Schwarze, Hispanics, Asiaten), sind 68 Prozent der Polizisten weiß. Peter Tautfest
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