■ Vorschlag
: Englands Zukunft: Indie-Dance mit den Chemical Brothers in der Arena

Anfang des Jahres verfiel die britische Pop-Industrie in hektische Betriebsamkeit, als es hieß, Oasis würden im Frühjahr ihr neues Album veröffentlichen: Sie sollten alle vorher herauskommen, die neuen Alben von Blur, Radiohead oder Supergrass, um nicht im zu erwartenden Trubel um Oasis unterzugehen. Doch die Rechnung wurde ohne die Chemical Brothers gemacht. Die liefen dann mit ihrem „Dig Your Own Hole“ allen anderen Rang und Titelseiten ab – Brit-Pop war plötzlich das Ding vom vergangenen Jahr, Englands Zukunft hieß auf einmal „Techno-Rock“ oder „Indie-Dance“, und zusammen mit Prodigy und Underworld sind die Chemical Brothers mittlerweile tatsächlich dabei, die USA zu entern.

Was erstaunlich ist, denn die Art Clubsound im Rockformat, den die Chemical Brothers da fabrizieren, gibt es nicht erst seit ein paar Monaten. Rave nannte man das Ende der Achtziger, als Bands wie die Happy Mondays, Stone Roses oder die Soup Dragons ihren Gitarrenpop Tanzflächen-tauglich mixen ließen. Auch Tom Rowlands und Ed Simons, die beiden Masterminds der Chemical Brothers, wurden zu dieser Zeit musikalisch sozialisiert. Sie hörten genauso gern Rock 'n' Roll wie Techno und House, legten auf Parties und in Clubs auf und veröffentlichten 1992 mit „Song To The Siren“ ihre erste Single. Der große Rave-Rausch war 1992 allerdings schon vorbei, und die Chemical Brothers wie auch Prodigy gingen erst mal baden: Trotz Chart-Erfolgen machte man sie mitverantwortlich für den Tod von Rave und beschimpfte ihren Sound als Kindergartentechno.

Jetzt scheint alles ganz anders: Das Publikum sehnt sich gleichermaßen nach Identifikationsfiguren und „modernen“ Rhythmen, und die Chemical Brothers schwingen die Techno-Keule, ohne den Rock zu stoppen. „Dig Your Own Hole“ ist eine große, fette Sause durch die Sounds dieser Tage – neben Techno auch Breakbeats, Gitarren, psychedelisches Gemurmel und ein paar Lyrics, die u.a. Noel Gallagher von Oasis beisteuerte. Gigantische Songs sind das, monströse Tracks, die süchtig machen, allerdings den Haken haben, daß man sie ziemlich schnell kennt und der nächte Kick nicht immer der beste ist: Die Wirkung läßt nach, und eine höhere Dosis gibt es nicht. Gerrit Bartels

Ab 21 Uhr in der Arena, Eichenstraße 4, Treptow