Nasen unter der Machete

■ Leidenschaft statt Lagerfeuer: Tupamaros, ein Dokumentarfilm von Rainer Hoffmann und Heidi Specogna im 3001

Pepe Mujica züchtet Blumen. Nebenbei ist er Parlamentsabgeordneter in Uruguay. Das heißt nicht, daß er die Politik nicht ernst nimmt – nur das Parlament nicht. Seit 30 Jahren kämpft er gegen Unterdrückung und hat wahrscheinlich deshalb eine andere Vorstellung von Politik. Er ist ein Tupamaro.

In ihrem Dokumentarfilm über die gleichnamige Guerilla in Uruguay zeichnen Rainer Hoffmann und Heidi Specogna ein lebendiges Bild der heute als legale Partei arbeitenden Bewegung. Während der europäischen Linken der ideologische Eifer abhanden gekommen ist und sie nun neue Heilslehren in Esoterik oder Verkehrsberuhigung sucht, zeigen die beiden Autoren zwar romantische, aber wenig verklärte Ansichten von einer Widerstandsbewegung, die an Virulenz und Überzeugung nichts eingebüßt zu haben scheint. Der Film Tupamaros ist ein Blick auf die Personen hinter den Ereignissen. Ausführlich, aber nie langweilend, kommen die ehemaligen Kämpfer zu Wort.

Wenn der 62jährige Pepe Mujica zu erzählen beginnt, braucht er nur wenige Worte, um einen in seinen Bann zu ziehen. „Menschen sind seltsam“, rätselt er einmal, „sie riskieren ihr Leben in einem Auto bei 300 Km/h. Sein Leben für eine vernünftige Sache zu riskieren, erscheint mir vernünftiger.“

Kein folkloristisches Orakeln. Pepe hat über 13 Jahre in Isolationshaft unter der uruguayischen Militärdiktatur verbracht und wurde schwer mißhandelt. Auch Lucia Toplansky verbrachte 13 Jahre hinter Gittern im Gefängnis. Die heutige Stadträtin von Montevideo war eine der Hauptfiguren der Tupamaros. Sie erzählt, daß Anfang der 70er Jahre kosmetische Operationen unter Tupamaro-Mitgliedern üblich waren, um sie unkenntlich zu machen. Nur, die Ärzte wußten wenig über kosmetische Chirurgie. „Irgendwann hatten wir dann alle die gleiche Nase“, berichtet sie und lacht, als hätten sie zum Fasching das gleiche Kostüm wie alle anderen getragen.

Fast alle der Interviewten haben im Gefängnis gesessen, fast alle wurden gefoltert. Sie reden viel über die Liebe zu ihrem Land und zu ihrer Familie, doch ins leidenschaftliche Gestikulieren und in ungebrochenen Eifer fallen die Tupamaros erst dann, wenn sie über die Revolution sprechen. Widerstandsromantik, aber von der würdevollen Sorte.

Oliver Nachtwey

3001