Hehre Ziele, wenig Geld

■ Das Bremer Spendenparlament konstituiert sich in zwei Wochen / Noch fehlen Mitglieder und ihre Beiträge

Die gute alte bremische Bürgerschaft kriegt Konkurrenz. In zwei Wochen gründet sich feierlich im Bremer Rathaus in Anwesenheit von Bürgermeister Henning Scherf das Bremer Spendenparlament. Erregende Debatten sind zu erwarten, scharfe politische Linienstreits und nächtelange Tagungen des Ausschusses – denn es geht um das hehre Ziel, die Jahresbeiträge der hundert Parlamentarier an Bedürftige zu verteilen. „Die Idee“, so Henning Scherf in seinem Grußwort, „ist so einfach wie überzeugend: Jeder spendet sein Geld in eine Gemeinschaftskasse und erwirbt damit das Mitbestimmungs recht über dessen Verwendung.“Alten und isolierten Menschen, alleinerziehenden Müttern in Tenever oder der Bremer Tafel möchte man mit dem Geld unter die Arme greifen – und damit das Ganze überschaubar (und die Spende auch steuerlich absetzbar) bleibt, hat man einen Verein gegründet, der die Geschäfte führt: Das „Bremer Spendenparlament e.V.“

Ihm angegliedert und letztentscheidende Instanz sind die „Spender“: Mitglieder des Vereinsbeirats, die für ihr Ehrenamt 120 Mark und mehr im Jahr bezahlen. In zwei Wochen also soll es losgehen. Öffentlich für alle und mit Tamtam will man im Rathaus das Präsidium wählen und die Geschäftsordnung festlegen; und Constanze Lindenau, die Vereinsvorsitzende, hofft, daß sich dann ganz spontan noch ein paar Entscheidungsfreudige für ihre gute Sache finden. Denn zur Zeit hängt man ein bißchen in den Seilen. Mit 500 interessierten Anrufern und letztlich siebzig schnellentschlossenen Spendern war die Sache im März gut angelaufen. Doch seitdem sind gerade mal 30 weitere hinzugekommen – und wenn man den derzeitigen Kassenstand von 7.000 Mark auf 120 Mark Mindestspende hochrechnet, dann haben 40 der 100 Parlamentarier ihren Obulus noch nicht einmal entrichtet.

Im Vergleich zu Hamburg, wo seit Februar 1996 das erste deutsche „Spendenparlament“existiert, sieht das ziemlich mickrig aus. Hier war man mit 700 Parlamentariern gestartet. Schon im Frühjahr dieses Jahres war das Plenum auf 2.700 Debattanden gestiegen, die immerhin 660.000 Mark wohltätig verteilen. Längst hat man hier manche Zerreißprobe überstanden und die Frage, ob man sein Geld nicht lieber ganz privat an eine Einrichtung der eigenen Wahl abliefert, hat sich qua Masse erledigt: Gespendet wird lokal, vielfältig und an eine Klientel, die sich aufwendige Spendenkampagnen selbst nicht leisten kann. Das Hamburger Parlament ist heute eine Spendenbörse für soziale Projekte mit geringer öffentlicher Eigenwerbung. Da findet jeder Parlamentarier seinen Favoriten – beispielsweise den asylsuchenden Jugendlichen, der seine Anwaltskosten nicht bezahlen konnte.

Um Hamburger Perspektiven nicht aus den Augen zu verlieren, hat die 38jährige Unternehmerin Constanze Lindenau jetzt noch mal Dampf gemacht: Ein paar Unternehmerkollegen mußten ihr versprechen, für ihre gute Sache rumzutelefonieren. Und bei der gestrigen Pressekonferenz unterstrich auch Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD), die dem Spendenparlament den ersten Anschub finanziert, nochmals die freundlichen Seiten von sozialem Sponsoring, weil es „uns allen gut zu Gesicht steht.“

ritz

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