Ein paar Peitschen zuviel

„Bunte“-Berichterstattung über den Tod Gianni Versaces im „Stil der Faschisten“: Der Modemacher Wolfgang Joop verhängt einen Anzeigenstopp über alle Burda-Blätter  ■ Von Oliver Gehrs

Der Bunte-Reporter wußte es wieder ganz genau: „Bruder und Schwester haben ihn so schnell wie möglich verbrennen lassen, 48 Stunden nach seinem Tod.“ Ein paar Sätze weiter ließ er die Pietät dann ganz fahren und seiner Fantasie freien Lauf: „Er suchte den Exzess, die Verletzung, den Rausch der extremen Reize.“ In der „dekadenten, pervertierten Welt der Luxus-Homos“ hätten auch bei Gianni Versace die „Ketten geklirrt und Peitschen geklatscht – sinnbildlich gesprochen.“ Daß am 2. Juli drei reale Kugeln dem Spuk ein Ende bereiteten, war so gesehen eigentlich nur gerecht.

Daß dann noch der selbsternannte „Sexologe“ Werner Habermehl, ausgestattet mit einem Professorentitel aus exotischen Landen und schon früher beim Playboy als Allzweckexperte in Sachen Kopulation im Einsatz, die homophobe Kausalkette zu Ende knüpfen durfte („3.000 verschiedene Partner sind keine Seltenheit“), machte für einen anderen Modeschöpfer das Maß voll.

Nun zeigt die „Bunte“ ihr braunes Gesicht

„Anläßlich Gianni Versaces Tod zeigt die Bunte ihr braunes Gesicht. Sozialneid, gemischt mit Infamie und Verbalkitsch ist der Stil der Faschisten“, ließ Wolfgang Joop den Verleger Hubert Burda in einem Brandbrief wissen und erklärte die Zusammenarbeit für beendet: „In diesem Umfeld sehe ich keine Möglichkeit zu einer Kooperation. Weder jetzt noch in Zukunft.“

Nicht nur bei dem Münchener Klatschblatt will Joop keine Werbung mehr buchen, auch andere Burda-Publikationen, darunter Freundin, Focus und die Modezeitschrift Elle, sind von der Sippenhaft betroffen. Joops Pressesprecherin Angelika Meixner bezifferte das Gesamtvolumen der Aufträge auf 1,83 Millionen Mark.

Weitaus schwerer als der finanzielle Verlust dürfte allerdings der Imageschaden wiegen. Erst vorige Woche marschierte die Staatsanwaltschaft durch die Bunte-Redaktion auf der Suche nach gefälschten Verträgen zwischen Claudia Schiffer und David Copperfield, nun wendet sich mit Joop ein weiterer Promi von der Illustrierten ab. Und als gäbe es davon reichlich, kommt die Schadenbegrenzung bei Burda nur langsam in Gang. Nicht einmal eine persönliche Antwort war dem Verleger Joops Beschwerde wert, statt dessen ließ er durch seinen Verlagsleiter anfragen, ob sich die Angelegenheit nicht bei einem kleinen Plausch regeln lasse. Das könnte allerdings bald eine große Runde werden, denn schon wird in anderen Modehäusern darüber nachgedacht, ob man Joops Beispiel folgen soll.

Doch so ernst schien es dem Burda-Verlag mit dem Gesprächsangebot eh nicht gewesen zu sein. Ein Fax von Joop, in dem er am 2. August die Möglichkeit eines Treffens einräumte, blieb unbeantwortet, und der stellvertretende Bunte- Chefredakteur Thomas Schneider nimmt den Modemacher bis heute nicht ernst: „Den Brief hat er in einem seelischen Ausnahmezustand geschrieben.“ Schneider kann es ja auch egal sein, denn den finanziellen Schaden haben die anderen Burda-Blätter – für die meisten Markenartikler hat die Bunte als Werbeumfeld längst ausgedient. Models für Parfum und Mode posieren eher in Gala, deren Leserschaft deutlich jünger und kaufkräftiger ist. Für die Stammkunden der Bunten, die zur Hälfte über 50 Jahre alt sind, interessieren sich vor allem die Hersteller von Vitaminpräparaten.

Auch Markworts Image beschädigt

Dabei war Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel erst Anfang des Jahres angetreten, um den Ruf zu retten, der durch gefälschte Artikel über Caroline von Monaco und Tom Cruise arg ramponiert worden war. Die Bunte sei „wie ein schlechtes Mädchen, dem man nichts mehr glaubt“, hatte Riekel zu ihrem Dienstantritt erkannt und einen seriöseren Kurs angemahnt.

Doch statt dessen setzte die neue Chefredakteurin gleich noch einen drauf: Als Harald Juhnke in der Bunten vom vermeintlich lesbischen Doppelleben seiner Frau erfuhr, soll er sogar erwogen haben, den von Burda verliehenen Fernsehpreis Bambi zurückzugeben – in der Unterhaltungsbranche eine durchaus ernstzunehmende Auszeichnung. Erst eine eiligst formierte Burda-Truppe mit 80.000 Mark im Gepäck habe den impulsiven Schauspieler entschärfen können, heißt es in der Redaktion.

In deren Räumen herrscht längst eine „unterirdische Stimmung“, wie eine frustrierte Redakteurin berichtet. Inzwischen wünsche sich mancher den ehemaligen Chefredakteur Franz-Josef Wagner zurück, der zwar Nachtschichten wie in der Autoindustrie schieben ließ, dem aber zumindest ab und an mal eine zündende Idee kam. Riekel hingegen „habe null journalistisches Gespür, null Bildung und null Charme“.

Die derart Gescholtene äußert sich nur ungern zu den journalistischen Aussetzern, die der Bunten ständig negative Schlagzeilen bescheren. Die Hinhaltetaktik hat gute Gründe, denn nicht nur Riekels Ruf steht auf dem Spiel, sondern auch der des obersten Journalisten im Burda-Reich, Helmut Markwort. Der Focus-Chef soll seiner Lebensgefährtin in Schaffenskrisen schon mal beratend zur Seite stehen und abends auf der Couch die Seiten abnehmen. Die makabre Versace-Nummer muß er irgendwie übersehen haben. Oliver Gehrs