Männer, Frauen, Liebe, Haß ...

■ ... Mietschulden, Gefängnis, Hochwasser: John Lee Hooker wird 80

John Lee Hooker ist einer der letzten, an denen die Evolution des Blues fast komplett nachzuvollziehen ist: die Verbindung vom archaischen Country Blues des Mississippi Delta über die urbane Spielweise mit elektrisch verstärkten Instrumenten in den industrialisierten Städten des Nordens bis zum Blues Rock. Nur eine Handvoll Bluesmusiker entwickelte einen so unverwechselbaren Stil. Sein Fußstampfen war auf frühen Platten integraler Bestandteil seines nur mit elektrischer Gitarre und beschwörendem Sprechgesang vorgetragenen Blues im Boogierhythmus. An die 12-Takt- Struktur hielt er sich oft nicht: „Richtiger Blues ist Gefühl. Wenn er mich packt, kann ich nicht mehr mitzählen. Das macht mich anders als die anderen.“

Am 22. August 1917 in Mississippi geboren, entwickelte Hooker seinen persönlichen Stil auf den Grundkenntnissen, die ihm sein Stiefvater Will Moore beigebracht hatte. Mit 14 stand für ihn fest: „Ich wollte kein Farmer werden.“ Über Memphis und Cincinnati zog er 1943 nach Detroit. Viele Gelegenheitsjobs und nächtliche Clubauftritte später kam dann eine der ersten Platten, das ansteckende „Boogie Chillen“, gleich auf Platz eins in die Charts. Zu einem Gesamtwerk von etwa 800 Titeln auf Platte – anfangs aus Vertragsgründen teilweise als Texas Slim, Delta John, Birmingham Sam, Johnny Williams und The Boogie Man veröffentlicht – gehören „I'm In The Mood“, „Boom Boom“ und „Dimples“. Er sang über Sozialhilfe und Mietschulden, Hochwasser und Gefängnis, sein früheres Stotterproblem, Vietnam und Miniröcke und natürlich über Besitz und Verlust von Geld und Frauen in allen erdenklichen Variationen, voll mit Metaphern aus der schwarzamerikanischen Subkultur. Klischeethemen wie Whiskey und Voodoo fehlten nicht, aber auch Jesse James und Präsident Lincoln tauchten in seinen Texten auf. 1962 kam Hooker mit dem American Folk Blues Festival erstmals nach Europa, wo viele junge Bands begierig auf die alten Legenden warteten.

Volle Konzerthallen hatte er immer, aber erst nach jahrelanger Plattenpause kam 1989 der wirklich große Durchbruch mit dem Album „The Healer“, durch MTV wurde er weltweit einem Riesenpublikum bekannt, das in die Altersgruppe seiner Urenkel fällt. Stil und Inhalt haben sich, trotz Paarung mit verschiedenen Rockmusikern, nicht geändert. „Blues ist die Geschichte von Frauen und Männern, von Liebe und Haß.“ Heute wird der Boogie-Mann 80 Jahre alt. Norbert Hess