Paul Schäfers Helfer sollen gehen

■ Chiles Abgeordnetenhaus will die Führung der Colonia Dignidad ausweisen – Präsident Frei ist bisher dagegen

Santiago de Chile (AFP) – Zehn führende Mitglieder der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad sollen nach dem Willen des chilenischen Abgeordnetenhauses des Landes verwiesen werden. Die Delegierten stimmten am Mittwoch mit klarer Mehrheit für die Ausweisung der Mitarbeiter des wegen Kindesmißbrauchs polizeilich gesuchten Colonia-Chefs Paul Schäfer, der selbst von dem Beschluß nicht betroffen ist.

46 Parlamentarier stimmten bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen für die Ausweisung der führenden Colonia-Mitglieder. Die Abgeordneten folgten damit der Empfehlung einer Parlamentskommission, die in den vergangenen drei Monaten die zahlreichen Vorwürfe gegen die Sekte untersucht hat. Es sollten allerdings nur solche Mitglieder zur Ausreise aufgefordert werden, gegen die derzeit keine gerichtlichen Ermittlungen laufen. Abschließend sollte Chiles Präsident Eduardo Frei über die Ausweisung entscheiden. Er hatte die Ausweisung in der vergangenen Woche abgelehnt.

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) begrüßte unterdessen die Ankündigung des Obersten Gerichts in Chile, Vorwürfe gegen die Colonia Dignidad zu untersuchen, sie habe sich während der letzten Militärdiktatur an Folterungen von Regimegegnern beteiligt. Im Oktober wird vor dem Bonner Landgericht darüber verhandelt, ob ai gleichlautende Vorwürfe äußern darf. Ai hatte bereits 1976 in einer Broschüre über die Vorwürfe wegen Folterungen in der Kolonie berichtet. Die Colonia hatte vor dem Bonner Landgericht jedoch eine einstweilige Verfügung gegen die Menschenrechtsorganisation erwirkt. In der Hauptsache ist bis heute keine Entscheidung gefallen.