Wo die Höhensonne das Bier kühlt

■ Die erste Solargaststätte Europas wird 10 Jahre alt. Durch den Einsatz sparsamer Geräte verbraucht sie weniger Strom als ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt. "Die Menschen wollen diese Technik."

Am Schauinsland im Schwarzwald ist das Unmögliche Alltag geworden. Der Rappenecker Hof, eine Wandergaststätte in 1.000 Meter Höhe, kommt ohne Stromanschluß bestens über die Runden. Unbeeindruckt von den Phrasen der Stromlobby, daß die Sonne keine ernstzunehmende Alternative sei, hatte sich das Fraunhofer- Institut für Solare Energiesysteme (ISE) Mitte der 80er Jahre zu diesem Projekt entschlossen. Der Hof wurde mit Sonnenstrom versorgt, ein Netzanschluß damit hinfällig. Zum zehnjährigen Bestehen in diesen Tagen sind sich Hofbesitzer, Forscher, lokale Politiker und Wandergäste einig: Das System hat Zukunft.

Die Entscheidung für die Sonne war auch wirtschaftlich sinnvoll. Ein Netzanschluß für den abgelegenen Hof hätte 380.000 Mark gekostet, die Solaranlage war erheblich billiger. Hinzu kam, daß das Fraunhofer-Institut gerade auf der Suche nach einem Haus war, das sich für ein Forschungsprogramm eignete. Und so entstand am Freiburger Hausberg die erste solar versorgte Gaststätte Europas.

Deren Energiebilanz läßt Stromversorgern angst und bange werden. 70 Prozent des Bedarfs deckt eine 3,8-kW-Solaranlage, 15 Prozent steuert ein kleines Windrad bei. Überschüsse werden in einer Batterie gespeichert. Den fossilen Energien bleibt – in Form eines Dieselgenerators – allein die Rolle des Lückenbüßers. Möglich wurde dieser Erfolg durch sparsame Hausgeräte: Der gesamte Gasthof benötigt gerade mal 3.250 Kilowattstunden Strom im Jahr – weniger, als mancher durchschnittliche Vier-Personen-Haushalt durch seine Leitungen jagt.

Solche Zahlen beeindrucken die Gäste. Bürgermeister Franz Josef Winterhalter aus Oberried, der den Solarhof auf seiner Gemarkung weiß, hat bereits „eine Art Umwelttourismus“ ausgemacht. Denn mancher Gast kommt allein der Solaranlage wegen zum Rappeneck. Und jeder zweite Besucher, so hat das ISE ermittelt, würde für eine Führung durch das Solarhaus sogar bezahlen.

Denn das Haus, das vor Jahren den GEO-Titel des Baden-Württemberg-Hefts zierte, gilt als die gelungene Synthese von Schwarzwälder Tradition und Freiburger Solarfortschritt. Immerhin stammt das Haus aus dem 17. Jahrhundert. Und noch keiner hat ernsthaft behaupten wollen, die Siliziumzellen störten den Anblick. Natürlich ist der Rappenecker Hof in den zehn Jahren nicht die einzige Solargaststätte Europas geblieben. 30 Folgeprojekte, darunter zahlreiche Alpenhütten, wurden zwischenzeitlich unter Mitwirkung des Fraunhofer-Instituts realisiert.

Die Technik gilt, nachdem der Wechselrichter am Rappeneck Anfangs sehr anfällig war, inzwischen als weitgehend ausgereift. Ein „wesentlicher Baustein einer ökologischen Stromversorgung“, so resümiert ISE-Chef Joachim Luther, sei die Photovoltaik damit geworden. Entsprechend blicken die Freiburger Solarforscher am Jubiläumstag trotz der in Bonn praktizierten Solar-Blockade verhalten optimistisch in die Zukunft. Seit Jahren wachse die Photovoltaik-Branche stabil um mindestens 14 Prozent jährlich, erklärt ISE- Mitarbeiter Hansjörg Gabler. In diesem Jahr könnten es gar 20 Prozent werden: „Das schafft sonst kaum eine Branche.“ Für Gabler ist damit klar: „Die Menschen wollen diese Technik.“ Zumal mit jeder weiteren Anlage die Preise weiter sinken. Allein das 1.000-Dächer-Programm Anfang der 90er Jahre habe eine Halbierung der Kosten bewirkt, sagt Energiereferent Thomas Schott aus dem Bonner Forschungsministerium. Sobald die Kilowattstunde Solarstrom unter eine Mark absacke, trete ein „Zündeffekt“ ein, die Technik erlebe den Durchbruch am Markt.

Wann der kommt, bleibt offen. Denn während die Anlagen immer besser werden, ein großer Solarzellenhersteller bereits 25 Jahre Garantie verspricht und immer mehr Stadtwerke den Solarstrom angemessen vergüten, vermißt Solarforscher Gabler eine entscheidende Basis: verläßliche Rahmenbedingungen aus Bonn. Die hat man derzeit allein am Rappeneck. Dort weiß man schon heute, wie in zehn Jahren die Stromversorgung der Gaststätte aussehen wird. Wie gehabt: umweltfreundlich und preiswert. Bernward Janzing