: Südostasiens „kleine Tiger“ im Sumpf gelandet
■ Kein Ende der Währungskrise. Thailand erhält Großkredite aus der Region
Bangkok (taz) – Lächelnd setzt der grauhaarige Herr seine Unterschrift unter das Dokument, während sein Nachbar ihm besorgt auf die Finger schaut. Kameras surren, Fotoapparate blitzen. Ganz Thailand konnte gestern zusehen wie General Prem Tinsulanonda, die graue Eminenz der thailändischen Politik, ein Sparkonto einrichtete. Der Siam City Bank übergab er fast 30.000 Mark, „um das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Finanzsystem des Landes zu stärken“, wie die Bangkoker Nation kommentierte.
Im Thailand der Wirtschaftskrise und Bankenskandale gilt es in diesen Tagen als Ermutigung, wenn einer sein Geld bei einer einheimischen Bank anlegt. Denn seit die Regierung von Premierminister Chavalith Yongchaiyudh Anfang August mit einem Schlag 42 völlig überschuldete Finanzinstitute einfach vom Markt suspendierte, sind Wut und Mißtrauen groß in Bangkok. Viele Händler und Spekulanten kauften auch gestern lieber stabile US-Dollar für ihre Baht. Die thailändische Währung, die seit Juli gegenüber dem Dollar mehr als ein Fünftel ihres Wertes verloren hat, sackte gestern auf den bislang niedrigsten Stand – 33,3 Baht pro Dollar.
Erst langsam wird klar, wie schwierig die finanzielle Lage ist: Die Zentralbank gab am Donnerstag bekannt, daß sie sich weit mehr, als bisher gedacht, verschuldet hatte, um die trudelnde Währung zu stützen – 23,4 Milliarden US- Dollar. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat ein Paket von insgesamt 16,7 Milliarden Dollar aufgelegt, das Thailand vor der Zahlungsunfähigkeit retten soll. Die erste IWF-Rate von 1,6 Milliarden Dollar erhält Bangkok sofort. Mehr Geld folgt Ende November, wenn die thailändische Regierung wie versprochen ihre Ausgaben kürzt und Steuern erhöht.
Anders als bei der mexikanischen Finanzkrise 1994, als der IWF gemeinsam mit den USA über 40 Milliarden Dollar flüssig machte, um das Land vor dem Bankrott zu bewahren, sind die Geldgeber Thailands vor allem asiatische Staaten von China bis Indonesien. Japan steht mit einem versprochenen Anteil von vier Milliarden Dollar an der Spitze. Aus gutem Grund: Tokio würde bei einem Zusammenbruch der Wirtschaft des „kleinen Tigers“ am meisten verlieren. Mehr als die Hälfte der 89 Milliarden Auslandsschulden Thailands sind bei Banken in Japan aufgenommen.
Japanische Kaufleute bauten seit Mitte der achtziger Jahre auf der Suche nach günstigen Investitionsmöglichkeiten Fabriken in Südostasien und reichten zugleich freigiebig Kredite nach Bangkok, Kuala Lumpur und Jakarta. Regierungen und Unternehmen der als „zweite Tiger-Generation“ gepriesenen Länder gerieten dadurch immer tiefer in die Kreide. Sie verschuldeten sich im Ausland bis zu 48 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts – immer in der Hoffnung, weiter billige Kredite zu erhalten und auch künftig die Zinsen mit Hilfe ihrer Exporteinnahmen tilgen zu können.
Jetzt rächt sich die Fettlebe: Nicht nur Thailand, sondern auch die südostasiatischen Nachbarn Malaysia, Indonesien und Philippinen sind mittlerweile von den Währungsturbulenzen geschüttelt. In Thailand gehen nun düstere Prophezeihungen über die Folgen von Krise und Sparprogramm um: Das Militär bereite sich auf Protestdemonstrationen vor, heißt es in Bangkok. Über zwei Millionen Arbeitslose, hohe Inflation und ein Wachstum von nicht mehr als drei Prozent erwartet die Dozentin Phasuk Pongpaijit von der renommierten Chulalongkorn-Universität. Die Politiker fordern nun die Bevölkerung auf, die Gürtel enger zu schnallen und möglichst nur noch thailändische Produkte zu kaufen. Dabei fällt es ihnen selbst schwer: So schenkte Finanzminister Thanong jedem der 57 Mitglieder im parlamentarischen Haushaltsausschuß am Donnerstag eine Windjacke der Firma Lacoste (made in France) – als kleines Dankeschön fürs angestrengte Sparen. Jutta Lietsch
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