Siemens verliert Millionen

Niederbayern hat einen 380-Millionen-Auftrag an Siemens gestoppt. Der Lokalfilz in Aussernzell hatte ein Projekt nicht richtig ausgeschrieben  ■ Aus München Felix Berth

Die Regierung von Niederbayern hat einen 380-Millionen-Mark- Auftrag an Siemens für eine Müllverbrennungsanlage gestoppt. Damit ist unklar, welches Unternehmen die geplante Anlage im niederbayerischen Aussernzell errichten darf und ob die Anlage überhaupt noch gebaut wird.

Den Auftrag hatte Siemens- KWU im November 1994 zugesprochen bekommen. Der Auftraggeber, die Abfallwirtschaftsgesellschaft Donau-Wald (AWG), entschied sich damals für das Schwelbrennverfahren von Siemens-KWU, obwohl das Konkurrenzangebot der Schweizer Firma Thermoselect nach deren eigenen Angaben um über hundert Millionen Mark billiger war.

Die Firma Thermoselect ging juristisch gegen die Entscheidung vor. Der Rechtsstreit scheint sich gelohnt zu haben: Die Regierung von Niederbayern mußte prüfen, ob die Ausschreibung korrekt gelaufen war und urteilte mit einem klaren Nein: „Das war nicht das, was man sich unter freiem Wettbewerb vorstellt“, sagt die Sprecherin der Regierung, Irmgard Kaltenstadler.

So sei die Vergabesumme für die Müllverbrennungsanlage nur zur Hälfte öffentlich ausgeschrieben worden. Die zweite Hälfte der Aufträge hätte automatisch die Firma bekommen, die bei der ersten Hälfte zum Zug kam. „Wenn ein Bewerber die erste Hälfte besonders billig angeboten hätte, hätte er bei der zweiten Hälfte keine Konkurrenz mehr gehabt“, sagt Kaltenstadtler. Das ist nicht nur nach deutschem Recht unlauter, sondern widerspricht auch den Vorschriften der EU.

Die Rechtsanwälte von Thermoselect sind mit dem Urteil zufrieden. „Der Abfallwirtschaftsgesellschaft AWG ging es nur darum, Siemens den Auftrag zuzuschanzen“, sagt Rechtsanwalt Jörg Fenchel. Er fordert die Verantwortlichen in der AWG für die rechtswidrige Ausschreibung zur Verantwortung zu ziehen. Schließlich seien bereits die ersten Planungsaufträge über 17 Millionen Mark an Siemens gegangen. Daher überlegte die Geschäftsführung der AWG bereits, wie sie den Auftrag doch noch Siemens zuschanzen könnte.

Wann in Aussernzell mit dem Bau einer neuen Müllverbrennungsanlage begonnen wird, ist völlig unklar. Zunächst wird ein neues Ausschreibungsverfahren notwendig sein. Ob dann allerdings noch eine neue Anlage gebraucht wird, ist zweifelhaft. Schließlich sinkt das Müllaufkommen in Bayern kontinuierlich, und möglicherweise ist die Anlage in Aussernzell in wenigen Jahren ganz verzichtbar.