Flirrende französische Landschaftsbilder

■ Ingo Metzmachers furiose Eröffnung einer lebendigen Philharmonischen Saison

Wer nicht häufig Konzerte des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg besucht hat, wird den Mangel nicht so sehr gespürt haben: Allzu beliebig wirkte das Programm, das zwar hin und wieder überraschende Kompositionen bot, aber auf die Spielzeit gesehen doch ein klassischer Gemischtwarenladen war. Nun wird sich das ändern, denn Hamburgs neuer Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher hat sich ein dramaturgisches Konzept überlegt, mit dem er den Konzertbesucher auf Reisen schicken möchte in eine Art musikalische Terra incognita.

In einem rasanten Eröffnungskonzert zeigte Metzmacher am Sonntag, wie neuartig solche Mischungen klingen können. Für Hamburger Ohren ist es immer noch ungewohnt, wenn nach Debussys weich fließenden Images Gustav Mahlers kraftvolle Fünfte Symphonie erklingt. Doch die Rechnung ging auf, und das Publikum dankte mit wildem Beifall.

Das war für Metzmacher, das Orchester und auch für Kultursenatorin Christina Weiss ein Moment der Erlösung. Nicht vergessen waren die zermürbenden Auseinandersetzungen um den Nachfolger von Gerd Albrecht. Und auch das Klangbild der oft müde wirkenden Philharmoniker war in letzter Zeit kein Grund, eine strahlende Zukunft zu prognostizieren.

Doch hochmotiviert, jugendlich aufgefrischt und ganz auf der Seite ihres neuen Generalmusikdirektors spielten die Staatsmusiker fast wie ein Traumorchester. Auch wenn noch einige Trägheiten und spielerische Lässigkeiten zu hören waren, spürte der Zuschauer den Drive und Lust auf neues philharmonisches Leben. Mahlers symphonischer Kosmos ließ nach dem Konzert noch Platz, Debussys flirrende Landschaftsbilder in Erinnerung zu rufen.

Wie wird die Reise durch das musikalische Frankreich weitergehen? In dieser Saison noch mit gemäßigten Klängen aus unserem Jahrhundert und einem Großteil des symphonischen Werkes von Hector Berlioz. Metzmacher, dessen Dirigenten-Herz gleichermaßen für zeitgenössische Musik wie für Klassiker schlägt, wird im Verlauf der kommenden Spielzeit auch drei Franzosen des späteren 20. Jahrhunderts in den philharmonischen Fokus rücken: Pierre Boulez, Olivier Messiaen und Henri Dutilleux. Neugierige und chronisch mit französischer Musik unterversorgte Musikfreunde werden in dieser Spielzeit voll auf ihre Kosten kommen. Sven Ahnert